Das illustre Leben des Gerd Schmelzer

1.11.2014, 08:25 Uhr
Das illustre Leben des Gerd Schmelzer

© Foto: Stefan Hippel

Und jetzt auch noch Lebkuchen. Lebkuchen-Schmidt heißt sein jüngstes Kind. Seit dem Tod von Inhaberin Henriette Schmidt-Burkhardt im Februar hegt und pflegt er es, als hätte er nie etwas anderes getan. Wie kommt’s? Die Verstorbene hat Gerd Schmelzer als Testamentsverwalter und Geschäftsführer eingesetzt, so lange, bis ein anderer an seine Stelle tritt. Der wird zurzeit gesucht.

Eigentlich hat er’s gerne salopp. Der Unternehmer ist keiner, der gerne einen Stock verschluckt. Aber das Lebkuchen-Thema sei ein ernstes. Gleich schiebt er die zwei Fingerbreit Kuchen weg, die er sich im "Caffé Violetta" am Tresen geholt hat. "Der Gerd", wie ihn alle nennen, vom Oberbürgermeister bis zur Sekretärin, schaut auf die Linie. Eine „Riesenverantwortung“ sei diese Lebkuchen-Firma, sagt der 63-Jährige, der sonst mehr mit ausrangierten Fabriken und Kasernen zu tun hat, denen er neues Leben einhaucht, bis er sie dann weiterverkauft.

Lebkuchen also. Dazu 230 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, wenn, wie jetzt, Saison ist, sogar 700. Schon sagt er "wir", wenn er von der "gut aufgestellten Firma" spricht. Vormittags arbeite er für Schmidt in Langwasser, nachmittags für die eigene Alpha Gruppe.

Die Nürnberger Süßwaren-Ikone passe irgendwie zu ihm, findet der gebürtige Westmittelfranke. Darüber kann man streiten. Doch bunt war das Spektrum der Jobs schon immer, die sich Schmelzer erfolgreich angelacht hat. Da wurden anfangs Lastwagen in den Iran chauffiert, später eine Autowerkstatt betrieben. 1978 gründete er die Alpha Gruppe.

Jüngster Club-Präsident aller Zeiten

Schon als Student - Schmelzer kam nach der Lehre über die Abendschule zur Betriebswirtschaft - machte er die ersten Immobiliengeschäfte. 1983 wurde er mit 32 der jüngste Club-Präsident aller Zeiten. Glatze trug er schon damals. Ein Clubberer mit Leib und Magen sei er immer noch, auch wenn das Handy, auf dem mal ein FCN-Aufkleber pappte, längst ausgetauscht ist.

Als er 1991 zurücktrat, wurde er mit einem gefühlsbeladenen Satz zitiert. "Ich gebe eine Liebe ab." Das Kuchenstückchen am Kaffeetisch rückt wieder näher, er lächelt. So viel Pathos hat er heute nicht mehr drauf. Lieber gibt der Mann mit dem weißen Schnauzbart, der mit Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner verheiratet ist, den Abgeklärten.

Er sei ruhiger geworden, "aber ich habe keine Yoga-Kurse gemacht und bin nicht den Kilimandscharo hoch". Solche Senioren-Beschäftigungsprogramme, an denen sich manche abkaspern, seien nichts für ihn. Kein Golf, kein Schiff, lieber fährt er Rad, stellt sich regelmäßig auf die Waage und ernährt sich bewusst. Deshalb: nur ein halber Kuchen.

Ein letztes mal Umziehen

Demnächst wird er sein Büro hoch droben über dem TA-Gelände, das er ebenfalls reanimiert hat, aufgeben und sich im sensibel renovierten Milchhof-Verwaltungsbau am Wöhrder See niederlassen. Ein schönes Haus, der Architektur-Fan freut sich. Das sei der letzte Umzug, da müsse man realistisch sein.

Bei aller Lässigkeit: Der seit Jahren in der Warteschleife feststeckende Augustinerhof hat ihn eine Weile an seine Grenzen gebracht. Ein Nachbar klagt dort gegen die Baugenehmigung der Stadt, jetzt muss das Verwaltungsgericht entscheiden. Derart heftigen Gegenwind ist er nicht gewohnt. Spricht er darüber, dann hat er einen Gesichtsausdruck, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Bleibt nur angestrengte Coolness: "Man soll eben nichts erzwingen."

"Ich treffe keinen Nagel"

Der Bauern- und Schreinerssohn aus Ketteldorf ("Ich treffe keinen Nagel") ist ein Großer geworden, ein Reicher auch, der beim besten Willen - und ohne Koketterie - nicht sagen kann, wie viele Häuser ihm gehören. Dass das Neider macht, hat er bei den Augustinerhof-Querelen erlebt. "Endlich zeigt’s dir einer", schrieb ihm ein Anonymus. So seien die Menschen eben. Schneller Blick aufs Handy, das in der Jacketttasche vibriert. Telefoniert wird nicht. Jetzt nicht.

Drei erwachsene Kinder hat Gerd Schmelzer aus erster Ehe. Sohn Omar (34) ist längst in der Firma, wohin sich die Töchter orientieren, sei offen. Schmelzer: "Die Türe zur Alpha Gruppe steht offen." Allerdings, aufhören will er noch nicht so schnell. Er fühle sich belastbar, er könne voll Vertrauen delegieren.

Wie ist er so erfolgreich geworden? Der Immobilien-Entwickler denkt nicht lange nach, er kennt seine Stärke genau. Dass er immer das Wichtige vom Unwichtigen trennen konnte, das sei seine Begabung. Noch Wünsche offen mit 63? Mal nach New York. Da war er nämlich noch nie.

 

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