Wissenschaftliche Sensation

Delfine haben einen "siebten Sinn": Entdeckung von Nürnberger Forscher sorgt weltweit für Aufsehen

Saskia Muhs

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5.12.2023, 10:59 Uhr
Nürnberger Delfin Dörte Mai 2023 (Symbolbild).

© Tiergarten Nürnberg / Luisa Rauenbusch Nürnberger Delfin Dörte Mai 2023 (Symbolbild).

Delfine spüren elektrische Felder im Wasser: Zu diesem zentralen Ergebnis ist Dr. Tim Hüttner, Biologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Verein der "Tiergartenfreunde Nürnberg e.V.", in seiner Doktorarbeit gekommen. Der Tiergarten Nürnberg berichtete Anfang Dezember erstmals in einer Pressemitteilung über die wissenschaftliche Sensation. Hüttner hat die sogenannte Elektrorezeption bei Großen Tümmlern mit insgesamt vier Delfinen aus Nürnberg erforscht. Der elektrische Sinn könnte den Delfinen sowohl dabei helfen, ihre Beute im Sand aufzuspüren, als auch dabei, sich im Meer zurechtzufinden, heißt es in der Mitteilung.

Die Ergebnisse sind in einer langjährigen gemeinsamen Studie mit dem Lehrstuhl für Sensorische und kognitive Ökologie an der Universität Rostock entstanden. Die Entdeckung wurde in der Zeitschrift "Journal of Experimental Biology" jetzt erstmals veröffentlicht und sorgt weltweit für Aufsehen. Dass die Großen Tümmler einen scharfen Gehörsinn und ein außergewöhnliches Sehvermögen haben, war bereits bekannt. Dass sie auch elektrische Felder wahrnehmen können, ist neu. "Mit ihrem Elektrosinn können Delfine zum Beispiel die von Fischen erzeugten elektrischen Felder spüren. Das könnte ihnen helfen, im Sand vergrabene Beutetiere aufzuspüren. Zum anderen könnte ihnen die Wahrnehmung des Erdmagnetfelds auch helfen, sich im Meer zu orientieren", sagt der Nürnberger Forscher Hüttner.

Elektrische Wahrnehmung über Grübchen

Auch wie der elektrische Sinn bei Delfinen funktioniert, haben die Naturwissenschaftler herausgefunden: Demnach werden Delfine mit Schnurrhaaren entlang ihrer schnabelartigen Schnauze geboren. Diese fallen nach der Geburt aus und hinterlassen haarlose Grübchen, die sogenannten Vibrissengruben. Erste Hinweise darauf, dass die Grübchen eine Funktion haben, lieferten Untersuchungen von Prof. Dr. Guido Dehnhardt mit einem Sotalia-Delfin aus dem Zoo Münster im Jahr 2012: Ein Verhaltensversuch mit einem Sotalia-Delfin bestätigte diese Vermutung. Man stellte fest, dass die verbliebenen Grübchen den Sinnesorganen ähneln, die es Haien ermöglichen, elektrische Felder zu erkennen.

Im Tiergarten Nürnberg wollte man daraufhin herausfinden, ob und wie empfindlich auch Große Tümmler auf die elektrischen Felder reagieren. Dafür testeten die Experten zunächst die beiden Delfinweibchen Donna und Dolly auf ihre Empfindlichkeit gegenüber elektrischen Feldern. Dafür brachten sie, gemeinsam mit Delfinpfleger Armin Fritz und Revierleiter im Tiergarten Nürnberg, den Tieren zunächst bei, unter Wasser in eine Apparatur zu schwimmen und ihren Schnabel auf eine dafür vorgesehene Station zu legen.

Die Delfine lernten die Apparatur wieder zu verlassen, sobald sie ein elektrisches Gleichstromfeld spüren, das von Elektroden direkt über der Schnauze des Delfins erzeugt wurde. Das Team verringerte das elektrische Feld schrittweise von 500 auf 2 Mikrovolt pro Zentimeter (μV/cm) und verfolgte die Reaktionen der Tümmler. Während Dolly Felder bis zu einer Stärke von 5,5 μV/cm wahrnehmen konnte, nahm Donna noch Signale mit einer elektrischen Feldstärke von 2,4 μV/cm wahr.

Entdeckung hilft bei Klärung weiterer wissenschaftlicher Fragen

Dieser neu entdeckte Sinn hat viele Vorteile: "Die Fähigkeit, derart schwache elektrische Felder wahrzunehmen, kann den Delfinen bei der Nahrungssuche helfen. Sie können die Position des versteckten Fisches zentimetergenau erfassen, bevor sie nach ihm schnappen", so Dr. Hüttner. Prof. Dr. Dehnhardt ergänzt: "Darüber hinaus haben uns die Ergebnisse mit einer zweiten Delfinart ermutigt, die Anwendbarkeit dieser sensorischen Fähigkeit breiter zu diskutieren und die Magnetfeldorientierung ins Spiel zu bringen", heißt es in der Pressemitteilung.

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