Der Fürst der Denker war ein perfekter Ehemann

23.10.2008, 00:00 Uhr

Liebevoll und fast schwärmerisch berichtete Marie (Anke Niedermaier in zeitgenössischer Tracht) ihrer Mutter Susanna (Ursula Gruß, beide von der Agentur «Impressiones Norimbergienses») vom Leben mit ihrem geliebten Hegel. Die Ehe der beiden war eine Liebesheirat; sie begegneten sich bei der reichen Kaufmannsfamilie Merkel und es traf sie wie ein «Blitz aus heiterem Himmel».

Im April 1811 ließ Hegel durch Herrn von Grundherr bei Maries Vater Jobst von Tucher um ihre Hand anhalten. Die Eltern hatten zunächst Bedenken: Hegel war zwanzig Jahre älter als Marie, ein Bürgerlicher und in ständigen Geldnöten. Maries Mutter Susanna fragte sich, ob ein fränkisches Gewächs und ein Schwabe miteinander auskommen könnten.

Zudem war da noch der vierjährige uneheliche Sohn Hegels, Ludwig Fischer, geboren 1807 in Jena. Seine Mutter war Christiana Charlotte Burkhard, geb. Fischer (1778-1817), die Frau von Hegels früherem Hauswirt. Doch Marie fegte alle Bedenken hinweg und am 16. September 1811 heiratete sie «ihren» Hegel in der Heilig-Geist-Spitalkirche. Jobst von Tucher musste 1500 Gulden aufnehmen, um die Hochzeit auszurichten; zusätzlich erhielt Marie eine jährliche Apanage in Höhe von 100 Gulden.

In Briefen an die Mutter lobte Marie, Hegel sei von wunderbarer Güte und voller Respekt für andere. In Nürnberg waren sie glücklich und bis 1816 verlief ihr Leben beinahe beschaulich. Ein Wermutstropfen war der frühe Tod des ersten Kindes, Susanna Maria Louisa (1812). Es wurde nur ein paar Wochen alt. Die Söhne Karl und Immanuel wurden 1813 bzw. 1814 geboren.

«Ich lasse Euch schweren Herzens ziehen», antwortete Susanna ihrer Tochter Marie 1816 auf die Nachricht vom Umzug nach Heidelberg; dort hatte Hegel - endlich - eine Professur erhalten. Marie vermisste Nürnberg und als 1818 der Umzug nach Berlin bevorstand, wollte sie es der Mutter nicht sagen, weil die neue Trennung zu schmerzlich sein würde. Susanna erfuhr es von anderer Seite und schrieb am 27. 1. 1818: «. . . hat Hegel wirklich einen Ruf nach Berlin? . . . so weit weg».

Später berichtete Marie ihrer Mutter, wie sie «mit wahrer Lust einräumt» und sich «wie ein Kind über die größere Ordnung freut». Am Kupfergraben in Berlin führten sie ein beinahe biedermeierliches Leben. Sie waren sehr gastfreundlich (was die Weinrechnungen belegen) und die Freunde Immanuel Niethammer, Gottlieb Paulus und Thomas Johann Seebeck trafen sich regelmäßig bei Hegels zu Diskussionen, die sich bis zu feindlichen Auseinandersetzungen steigern konnten.

Marie schilderte Hegel ihrer Mutter als aufmerksamen Ehemann: «Er bedankt sich immer fürs Essen und hat einen wunderbaren Geschmack für Parfüm». In den Jahren 1822 bis 1827 erhielt er immer wieder Staatszuschüsse für Reisen, «aber», so Marie «er reiste nicht gern und befand sich ständig auf ,Rückreise‘ zur Familie».

1830/31 brach in Berlin die Cholera aus. In einem Brief an Hegels Schwester Christiane berichtete Marie vom Befinden ihres Mannes: «Am Vormittag war er noch heiter, nach dem Frühstück fühlte er sich schlecht. Der Arzt kam augenblicklich. Der Magenschmerz war erträglich, aber er musste oft erbrechen.»

Hegel wollte keinen Besuch, zum Aufstehen war er zu schwach. Ein zweiter Arzt, Dr. Horn, wurde geholt. Er verordnete Senfteig über den ganzen Körper, zusätzlich in Kamille getauchte Flanelltücher als Auflage. In einem Brief vom 6. 11. 1831 klagte Marie über die strengen Diätvorschriften: «Obst, Kohlarten und Salat sind verboten. Welche Not hat die Hausfrau mit dem Küchenzettel bei so wenig Auswahl und alles ist so teuer.»

Am 14. 11. 1831 starb Hegel, ob tatsächlich an der Cholera, die als Arme-Leute-Krankheit galt, ist keineswegs geklärt, denn ab 1827/28 hatte er «Zufälle», wie Marie es nannte, war kränklich und auch ein wenig verbiestert.

Beim Tod ihres Mannes war sie vierzig Jahre alt; gefasst schrieb sie an die Mutter: «. . . Freunde treten an seine Stelle, sie sind auch die Vormünder meiner Kinder, seine Freunde verlassen mich nicht.» In der Nachschau verklärte sie Hegel und war dankbar, dass «ich für würdig befunden wurde, seine Frau zu sein». Ursula Tannert

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