Diagnose HIV: Das Stigma ist oft schlimmer als die Erkrankung

23.11.2018, 08:50 Uhr
Diagnose HIV: Das Stigma ist oft schlimmer als die Erkrankung

© Arne Dedert/dpa

"Unser größtes Problem ist noch immer das Stigma", sagt Manfred Schmidt, Fachvorstand der Nürnberger Aids-Hilfe. Viele schwule Männer lebten auch heute noch ihre Sexualität im Verborgenen. "Wenn da die Diagnose HIV-positiv kommt, wird das Versteckspiel noch schwieriger", erklärt er. "Angst spielt beim Thema HIV leider eine große Rolle", pflichtet ihm Katrin Strohhöfer bei, die die Aids-Beratung der Stadtmission leitet. So seien sich Jugendliche oft unsicher, ob sie sich anstecken können, wenn sie eine HIV-positive Person küssen.

Diese Angst ist selbstverständlich unbegründet. Das HI-Virus ist hauptsächlich durch Blut und Sperma übertragbar, nicht aber durch Speichel. Und im Gegensatz zu vergangenen Jahrzehnten ist die Infektion heute längst kein Todesurteil mehr. Patienten, die ihre Medikamente regelmäßig einnehmen, können ihr Leben ohne Einschränkungen weiterführen. Sie haben eine ebenso hohe Lebenserwartung wie HIV-negative Menschen. Je früher eine HIV-Infektion erkannt wird, desto besser sind die Behandlungschancen.

Seit Oktober gibt es daher HIV-Heimtests in Apotheken zu kaufen. Damit kann jeder vergleichsweise unkompliziert selbst testen, ob eine Infektion vorliegt. "Wir stehen diesem Heimtest aber eher kritisch gegenüber", sagt Norbert Kellermann von der Fachstelle Sexuelle Gesundheit des Gesundheitsamtes. Es bestehe die Gefahr von Anwendungsfehlern. Außerdem, betont Kellermann, kann der Test erst zwölf Wochen nach einer möglichen Übertragung sicher erkennen, ob eine Ansteckung erfolgt ist.

Freistaat will nicht mehr zahlen

Manfred Schmidt von der Aids-Hilfe verweist dagegen darauf, dass der Heimtest eine Chance sei, HIV-Infektionen bei Menschen zu entdecken, die nie zu einer Beratungsstelle gekommen wären. "In Zeiten der Globalisierung kann man eh nicht verhindern, dass sich die Leute solche Tests kaufen", sagt er. Die Nachfrage nach Beratung zum Thema HIV ist groß. Rund 1400 HIV-Tests hat die Nürnberger Aids-Hilfe 2017 durchgeführt – Tendenz seit Jahren steigend. Mehr Geld vom Freistaat erhält der Verein trotzdem nicht. Der Antrag auf Schaffung einer weiteren Stelle wurde vom Bayerischen Gesundheitsministerium im Sommer abgelehnt. "Die haben einfach gesagt: ,Mehr Geld gibt’s nicht‘", klagt Schmidt.

Dabei ist HIV ein gesamtgesellschaftliches Thema. Knapp ein Drittel der Neuinfektionen im Jahr 2016 waren laut Robert-Koch-Institut auf heterosexuelle Kontakte oder verunreinigtes Drogenbesteck zurückzuführen.

Rund um den Welt-Aids-Tag hat die Aids-Hilfe ein buntes Programm zusammengestellt. Vom 26. November bis 4. Dezember finden zahlreiche Veranstaltungen statt.

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