Die steile Karriere des Mädchens aus der Gartenstadt

23.5.2009, 00:00 Uhr
Die steile Karriere des Mädchens aus der Gartenstadt

© Achiv

Die jungen Autoren und ihre Lehrerin Gerda Reuß haben mit großem Eifer alles darangesetzt, dem Untertitel des Buches «Eine Zeitreise mit Käte Strobel« zu genügen. Sie gaben sich nicht zufrieden, den Lebensweg der Sozialdemokratin nachzuzeichnen, sondern betteten ihn in die Geschichte des 20. Jahrhunderts ein. Das Geburtsdatum 23. Juli 1907 der Katharina Elsa Müller (kurz Käte genannt) verknüpfen sie mit einem Blick auf die Stadt, an deren Spitze der Bürgermeister Johann Georg Ritter von Schuh steht. Da wird berichtet, dass Nürnberg wie eine einzige Baustelle aussieht.

Viele neue Schulgebäude

Es entstanden vor allem viele neue Schulgebäude, die in unterschiedlichen Stilen und Ausschmückungen entwickelt wurden. Der Bau des Städtischen Klinikums in der Flurstraße aus Sandstein mit Giebeln und Türmchen wurde ebenfalls begonnen und schritt rasch voran. Auch die wbg-Wohnanlage in der Muggenhofer Straße mit dem Stadtwappen an allen Häusern wurde errichtet und bot Wohnraum für viele Familien. Außerdem entstanden in vielen Stadtteilen neue Villen im Barockstil mit Freitreppen und Hotels im neugotischen Stil.

Die Familie Müller wohnte mit dem neugeborenen Mädchen (das vierte von sieben Kindern) in Gibitzenhof, der Vater arbeitete als selbstständiger Schuhmacher. Für Familien mit vielen Kindern war es schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Daher schlossen sich die Müllers der Baugenossenschaft Gartenstadt an, die ihnen alsbald zu einem Haus am Buchenschlag 3 verhalf. Besonders beeindruckt zeigen sich die Schüler von der kargen Kindheit und Jugend von Käte Strobel, die zwar eine gute Schülerin war, aber gerade noch die Handelsschule besuchen durfte.

Zu Weihnachten gab es jedes Jahr einen Teller mit Lebkuchen, Nüssen und Äpfeln. Einmal wünschte sich Käte ein Stück Pferdewurst und ihre Mutter staunte: Warum ausgerechnet Pferdewurst? Käte entgegnete: «Ich möchte einmal eine Wurst ganz für mich allein haben.« So geschah es auch.

«Die Falken« waren prägend

Prägend für die 14-Jährige war ihre Mitgliedschaft in der Organisation der Kinderfreunde, die später unter dem Namen «Die Falken« große Gruppen von jungen Menschen anzog, beispielsweise auch den heutigen Oberbürgermeister Ulrich Maly. Ein besonderes Ereignis für Käte war eine Reise zu einem Ferienlager in der Nähe von Kiel, das für sie, ebenso wie die anderen Arbeiterkinder, in steter Erinnerung blieb.

Mit ihrem Mann Hans Strobel, einem aufrechten Sozialdemokraten, erlebte Käte unter der Nazi-Diktatur schwere Zeiten. Anrührend und ausführlich schildern die Schüler, wie sehr die junge Ehefrau, bald auch Mutter der Töchter Ilse und Traudel, zwischen Hoffen und Bangen schwebte, als ihr Mann zuerst in sogenannte Schutzhaft, dann ins Konzentrationslager Dachau und schließlich ins Strafbatallion 999 (eine Art Zuchthaus für Wehrunwürdige und Kriegstäter) kam. In dem Buch sind Briefe dokumentiert, die Kätes große Sorge um ihren Hans vermitteln.

Mädchen von nebenan kommt in den Bundestag

Als die Nazi-Herrschaft gebrochen war, engagierte sich Käte Strobel sofort in der Nürnberger SPD. Ihre Mitbürger wählten sie 1949 zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag, dem sie bis 1972 sechs Jahre als Ministerin angehörte. Nach ihrem Abschied wirkte sie noch sechs Jahre lang im Nürnberger Stadtrat mit.

Das einstige Mädchen aus der Gartenstadt schaffte eine steile politische Karriere, ohne je die Bodenhaftung zu verlieren. In ihre Amtszeit als Bundesgesundheitsministerin fiel die Reform des Lebensmittelsrechts, sie brachte das Krankenhausfinanzierungsgesetz und eine Sexualaufklärungskampagne mit dem Film «Helga« und dem umstrittenen «Sexualkundeatlas« auf den Weg.

Der Lebenslauf von Käte Strobel, die im Jahr 1996 gestorben ist, kann auch - nach Meinung ihrer Lehrerin Reuß - den jungen Autoren zum Ansporn dienen, der Politikerin nachzueifern.




Das Buch mit 191 Seiten und mehreren Abbildungen aus dem Verlag Nürnberger Presse gibt es für fünf Euro in der Schule Hummelsteiner Weg 25.