E-Scooter-Branche: Verdi Mittelfranken kritisiert Arbeitsbedingungen

15.10.2019, 14:19 Uhr
Die Arbeitsbedingungen von E-Scooter-Aufsammlern sind nach Auffassung der Gewerkschaft Verdi nicht besonders rosig.

© Markus Scholz/dpa Die Arbeitsbedingungen von E-Scooter-Aufsammlern sind nach Auffassung der Gewerkschaft Verdi nicht besonders rosig.

Sie heißen "Hunter". Nachts sammeln sie E-Scooter mit niedrigem Akkustand ein, laden diese auf und verteilen sie wieder im Stadtgebiet. Wie viel damit verdient ist? Nicht viel, ist die Gewerkschaft Verdi sicher. Sie spricht von prekären Arbeitsverhältnissen mit einem Verdienst "weit unter Mindestlohn", so Jürgen Göppner, Geschäftsführer von Verdi-Mittelfranken."Unsere Scooter arbeiten jeden Tag hart auf den Straßen Europas. Nach einem Tag voller Abenteuer sind unsere zweirädrigen Freunde müde und müssen für ein Schläfchen heimgebracht werden. Manche brauchen auch ein bisschen Extra-Pflege."

So lyrisch hört sich die Tätigkeitsbeschreibung eines "Hunters" auf der Homepage des schwedischen Rollerverleihs Voi an. Doch die Arbeitsbedingungen sind nach Auffassung der Gewerkschaft Verdi nicht annähernd so rosig. Gerüchten zufolge erhielten die Einsammelnden vier bis fünf Euro pro Roller, fährt Göppner fort. "Das finde ich sehr, sehr bedenklich." Genaues weiß man nicht. "Wir tappen noch im Dunkeln", räumt der Gewerkschafter ein. Auch eine Nachfrage bei der Stadt Nürnberg habe keine Erkenntnisse gebracht. "Das erstaunt mich schon", sagt Göppner. "Die Stadt steht doch auch in der Verantwortung, wenn man als Stadt so einen Service zulässt."

Verleiher geben keine Auskunft

Die E-Scooter-Verleiher selbst halten sich mit Auskünften zu den Verdienstmöglichkeiten zurück. Auch Voi bleibt auf Anfrage vage, wehrt sich allerdings gegen den Vorwurf, prekäre Jobs zu fördern. In Deutschland arbeite man überhaupt nicht mit Freelancern, also mit freien Mitarbeitern, zusammen, "wir haben hier ausschließlich erfahrene Logistikpartner, die uns beim Aufladen unserer E-Scooter unterstützen", sagt Claus Unterkircher, General Manager für Voi in Deutschland, Österreich und in der Schweiz.


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Darüber hinaus beschäftigt Voi eigenen Angaben zufolge auch hauseigenes Flottenpersonal. "Diese Mitarbeiter sind bei uns fest angestellt und werden direkt von uns nach Stunden bezahlt. Die Vergütung liegt dabei über dem üblichen Standard", fährt Unterkircher fort. "Bei allen Mitarbeitern von uns liegen wir deutlich über Mindestlohn, bei Verträgen mit Logistikunternehmen über dem marktüblichen Durchschnitt." Wie viel das konkret ist, ist allerdings nicht zu erfahren. In "naher Zukunft" solle eigenes Flottenpersonal die Akkus der E-Scooter, die schlappgemacht haben, via Lastenfahrrad austauschen.


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Andere Unternehmen wie Lime Bike, das seine Elektroroller in München, Stuttgart, Hamburg oder Berlin unter die Leute gebracht hat, setzen beim Aufladen der Akkus auf Privatpersonen. In einschlägigen Internetforen ist von einem Lohn von vier Euro pro Roller die Rede. Gegenüber dem Magazin report München bemängelte der Sprecher von Verdi Bayern, Hans Sterr, unlängst, dass der E-Scooter-Branche Kontrolle und klare Regeln fehlten.

Scheinselbstständigkeit begünstigt Niedriglohnsektor

Auch durch Scheinselbstständigkeit werde ein neuer Niedriglohnsektor begünstigt. Gerüchten zufolge steht ein zweiter Roller-Verleih vor der Tür, der angeblich noch im Oktober in Nürnberg starten will: das Unternehmen Tier. Sicher sei das aber erst, wenn Tier das gegenüber der Stadt bestätige, so Baureferent Daniel Ulrich. Die Tier Mobility GmbH teilt auf Anfrage mit, dass sie zu Nürnberg nichts sagen möchte. Weil sich die Beschwerden über E-Scooter vor allem in Bezug auf das Parken in der Stadt häufen, fordert die CSU-Stadtratsfraktion eine Zwischenbilanz zur E-Scooter-Nutzung. Die SPD hat bereits für eine Obergrenze für Roller plädiert.

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