Faire Mode, erdacht in Nürnberg

22.9.2015, 19:49 Uhr
Faire Mode, erdacht in Nürnberg

© Foto: Mark Johnston

Nein, als Models sind Selina, Özge, Lea und Olivia normalerweise nicht gefordert. Doch heute machen die angehenden Änderungsschneiderinnen gerne eine Ausnahme und schlüpfen fürs Pressefoto in die bunten Kreationen ihrer Mitschülerinnen. Deren Hosen, Shirts, Jacken und Kleider sind nicht, wie sonst, Einzelstücke, die im Rahmen der Ausbildung entstehen, sondern sie werden demnächst in Indien in Serie produziert. Und das unter fairen und umweltfreundlichen Bedingungen.

„Azadi“ heißt das Projekt, das ein kleiner Baustein sein will im Versuch, die Produktionsbedingungen in der Textilindustrie zu verbessern und Mode in den Handel zu bringen, die mit gutem Gewissen getragen werden kann. Der Name ist dabei Programm, denn „Azadi“ heißt „Freiheit“. Das Projekt gibt jungen Frauen eine Perspektive, die zuvor Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel waren. Sie wohnen in Delhi, in einem Schutzhaus der Hilfsorganisation „Stop“ und sollen künftig durch die Näharbeiten unabhängiger werden.

Für Elke Klemenz ist „Azadi“ deshalb eine Herzensangelegenheit. Gemeinsam mit der Nürnberger Modeschule hat die Geschäftsführerin von „Farcap“ in Fürth das Projekt auf den Weg gebracht. Auf etlichen Modemessen habe sie die Entwürfe bereits vorgestellt, sagt die 49-Jährige. „Das war ein wahnsinniger Erfolg.“ Weil zahlreiche Welt- und Ökoläden aus ganz Deutschland bereits Ware bestellt haben, werden die rund 20 Schneiderinnen in Indien in den nächsten Monaten gut ausgelastet sein.

Dass es mittlerweile noch viel mehr tragbare, fair produzierte Mode gibt, demonstriert Klemenz in ihrem Laden in der Fürther Gustavstraße. Aus Ghana, Mauritius, Bolivien, China und Bangladesch stammt ihre Ware unter anderem. Sie wird, so Klemenz, unter guten Bedingungen produziert und tragen Siegel oder Zertifikate, die von unabhängigen Institutionen kontrolliert wurden. Denn nach wie vor fehlt ein verbindliches Etikett für faire, ökologisch produzierte Ware, die Orientierung im Dschungel der verschiedenen Siegel fällt schwer.

Vielleicht ein Grund, warum die faire Mode auch zwei Jahre nach dem Einsturz des Gebäudekomplexes Rana Plaza, bei dem mehr als 1000 Menschen starben, nicht wirklich aus ihrem Nischendasein herausgekommen ist. Das Unglück habe zwar kurzfristig den Blick auf die menschenunwürdige Situation der Textilarbeiterinnen gelenkt, sagen auch Heidi Richter und Eva Homrighausen vom Zonta-Club. „Aber es hat nicht zu grundsätzlichen Änderungen geführt.“

Anders einkaufen

Die Verleihung des Menschenrechtspreises an Amirul Haque Amin will der Zonta-Club Nürnberg deshalb nutzen, um mit mehreren Veranstaltungen über das Thema „Mode mit Verantwortung“ zu informieren (siehe Kasten). Ihr eigenes Einkaufsverhalten haben die beiden Frauen bereits verändert — und dabei festgestellt, dass auch sie zuvor zu wenig informiert waren über die Produktionsbedingungen in der Bekleidungsindustrie. Sie habe immer gedacht, dass namhafte Hersteller anders arbeiten, sagt Homrighausen. „Jetzt weiß ich es besser.“ Auch dass der Artikel in Europa produziert wurde, sei keine Garantiere für faire Arbeitsbedingungen, ergänzt Klemenz. „Auch Länder wie Moldawien zahlen keine existenzsichernden Löhne.“

Richter und Homrighausen kaufen jetzt bewusster und vor allem weniger ein. Neben fairen Läden wie Farcap und Glore (in der Karl-Grillenberger-Straße in Nürnberg) sind auch Second-handläden eine Anlaufstelle für alle, die nachhaltig shoppen wollen. Ob es auch hilft, die Verkäuferinnen in den Modehäusern nach den Produktionsbedingungen zu fragen? Klemenz ist da skeptisch. Die Mitarbeiter seien oft überfordert, „weil sie es auch nicht wissen“. Wichtiger wären aus ihrer Sicht staatliche Importregelungen, die Mindeststandards festlegen.

Und es stimmt sie zuversichtlich, dass sich die Modeschule so für das Thema engagiert. Faire Mode sei ein wichtiger Inhalt der Ausbildung, betont Barbara Denker, die den Berufsbereich an der B 5 betreut. Dass sich die Schule zudem durch Projekte wie „Azadi“ nach außen öffnet und den Blick der Schülerinnen weitet, ist ganz im Sinn von Schulleiterin Gisela Schlenk. „Wenn unsere Schülerinnen in der zwölften Klasse immer noch unüberlegt ihren Kleiderschrank füllen, dann haben wir etwas falsch gemacht.“

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