Tag der Muttersprache

Fluchen und greinen: Warum wir fränkeln, wenn es emotional wird

Christina Merkel

Hochschule & Wissenschaft

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21.2.2023, 15:00 Uhr
Eine Muttersprache lernt man durchs Hören, später kommen Lesen und Schreiben dazu.

© Fabian Sommer, dpa Eine Muttersprache lernt man durchs Hören, später kommen Lesen und Schreiben dazu.

Während sich viele in ihrer Muttersprache am sichersten fühlen, eröffnen sich mit fremden Sprachen auch neue Welten. Manchmal wird eine Zweitsprache sogar zur stärkeren Sprache, erklärt Thorsten Piske, Professor für Fremdsprachendidaktik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Herr Piske, können Menschen eine Fremdsprache jemals so gut sprechen wie ihre Muttersprache?

Thorsten Piske: Ja, unter bestimmten Bedingungen. In der Forschung sprechen wir gewöhnlich von "Erstsprache", weil es die Sprache ist, die wir zuerst gelernt haben. Im Vergleich zu Fremdsprachen sind die Kenntnisse hier meist deutlich stärker. Es gibt aber Situationen, in denen sich das umkehrt.

Prof. Dr. Thorsten Piske

Prof. Dr. Thorsten Piske © FAU/Giulia Iannicelli

Zum Beispiel?

Wenn man in ein anderes Land zieht und die Fremdsprache zur Zweitsprache wird. Man lernt dort also die gängige Umgebungssprache, die im Gegensatz zu einer Fremdsprache auch in allen Alltagssituationen verwendet wird.

Was wird dann aus der Muttersprache?

Die wird nicht mehr so häufig gebraucht, deshalb wird sie schwächer. Auf einmal macht man zum Beispiel Grammatikfehler oder sucht lange nach Wörtern.

Eher beim Sprechen oder Schreiben?

Das ist unterschiedlich. Bei Kindern mit Migrationshintergrund gibt es häufiger den Fall, dass sie ihre Muttersprache fließend sprechen, sie aber schriftlich nicht ganz so gut oder auch gar nicht beherrschen.

Aber mit der Muttersprache sind Erinnerungen verbunden.

Ja, Emotionen sind ein wichtiger Aspekt. Selbst wenn wir im Ausland leben, drücken wir Emotionen oft in der Muttersprache aus – zum Beispiel, wenn wir fluchen. Doch auch das ist von der Intensität des Sprachkontakts abhängig und kann sich ändern.

Also fluchen wir alle auf Fränkisch. Wie weit kann eine Fremdsprache die Muttersprache beeinflussen?

Zum Beispiel bei der Grammatik, wenn wir den Satzbau des Englischen für das Deutsche übernehmen. Auch in Aussprache und Intonation kann eine Fremdsprache „durchschlagen“. Wir sprechen unsere Muttersprache dann langsamer als üblich oder übernehmen die für eine andere Sprache typische Sprachmelodie. Das hört man nicht nur, sondern es lässt sich auch über akustische Messungen im Detail nachweisen.

Gibt es Menschen, die besonders sprachbegabt sind?

Ja, die gibt es, nur wissen wir noch wenig darüber. Zum Beispiel woher das kommt. Aber als Trost für alle, die denken, sie seien nicht sprachbegabt, weil sie alles aus dem Französisch-Unterricht vergessen haben: Eine einmal erlernte Fremdsprache kann relativ schnell zurückkommen, wenn der Sprachkontakt wiederhergestellt wird. Das nennen wir „Reaquisition“ oder Wiedererwerb.

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