Frankenschnellweg: "Ein Bürgerentscheid wäre jetzt wünschenswert"

14.4.2021, 15:56 Uhr
Der Frankenschnellweg von oben: Wie eine Autobahn zieht sich die Trasse kerzengerade durch die Stadt.

© e-arc-tmp-20130708-162924-006.jpg, NN Der Frankenschnellweg von oben: Wie eine Autobahn zieht sich die Trasse kerzengerade durch die Stadt.

Sven Jessl, 1990 geboren, ist angestellter Architekt in einem Büro in Nürnberg. Im Rahmen seines Studiums an der TH Nürnberg war er auch Kurator der Ausstellung „Schwieriges Erbe: Die Bauten des Nationalsozialismus damals und heute“ im Dokuzentrum unter Leitung von Prof. Richard Woditsch.

Architekt Sven Jessl sieht die städtebauliche Chance in einer alternativen Lösung zum kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs. 

Architekt Sven Jessl sieht die städtebauliche Chance in einer alternativen Lösung zum kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs.  © Privat

Herr Jessl, der BN wird jetzt weiter gegen die Ausbaupläne der Stadt Nürnberg klagen, weil seine Mitglieder eine zäh ausgehandelte Kompromisslösung mit der Stadtspitze abgelehnt haben. Freut Sie das?

Jessl: Ich begrüße es, dass der BN zu einem Ergebnis gekommen ist. Und ich
hoffe, dass man mit der gleichen Leidenschaft, mit der man ursprünglich für die Annahme
oder die Ablehnung des Kompromisspapiers geworben hat, nun auch die Klage
fortsetzen wird. Leider war die Wahlbeteiligung von 39 Prozent nicht so hoch wie ich gehofft hatte. Denn man hatte den Eindruck, dass das Thema auch innerhalb des BN sehr heiß diskutiert wurde.


Kommentar: Nürnberg muss beim Thema Frankenschnellweg umdenken


Auf dem Frankenschnellweg stauen sich täglich die Fahrzeuge, die Anwohner ersticken in Lärm und Abgasen. So kann die Route nicht bleiben. Warum sind Sie gegen einen Tunnelbau?

Jessl: Die Pläne gibt es schon seit so vielen Jahren, keine Stadtregierung, ob SPD oder CSU, hat das Projekt je gestoppt. Welches Zeichen möchte die Stadt im 21. Jahrhundert setzen, wenn man die städtebauliche Entwicklung dem Verkehr unterordnet? Wie ist dies mit Klimaschutzzielen und der Verkehrswende vereinbar? Allein die Kosten: Nürnberg müsste nach derzeitigen Berechnungen rund 130 Millionen Euro von den veranschlagten Kosten von 660 Millionen Euro selbst tragen. Und die Frage ist, ob in der Gesamtsumme wirklich alle Leistungen enthalten sind. In der Baubranche konnte man in den vergangenen Jahren eine erhebliche Kostensteigerung verfolgen.

Nürnberg kann sich die Straße also gar nicht leisten?

Jessl: Das kann ich nicht beurteilen. Beim geplanten Konzertbau hat man aber bereits den Rotstift angesetzt, weil kein Geld da ist... Eines der Probleme ist die mindestens zehnjährige Bauzeit der Straße. Wenn man mit dem Tunnelbau angefangen hat, gibt es kein zurück mehr. Man muss das bis zum bitteren Ende durchziehen, selbst wenn die Kosten dramatisch steigen würden. Ansonsten wäre das ein wahnsinniger Imageverlust für die Stadt. Und: Der Tunnel kann nicht so einfach zurück gebaut werden. Wir verbauen damit der künftigen Generation buchstäblich die Möglichkeit, an dieser Stelle Stadtreparatur zu betreiben.


Studenten der TH Nürnberg lieferten 18 Alternativvorschläge zum Ausbau


Sie haben im Wintersemester 2017/18 mit ihrer Kommilitonin Victoria Konuk einen von Ihren Professorinnen und Professoren sehr gelobten Alternativvorschlag vorgelegt. Sie hätten aus dem Frankenschnellweg einen Stadtboulevard gemacht. Wäre das heute noch ein taugliches Modell?

Jessl: Ja, ich denke schon. Aber ich will betonen, dass wir nicht vorhatten, den Frankenschnellweg zurückzubauen, wie es immer wieder fälschlicherweise hieß. Er bliebe immer noch eine vierspurige Straße. Nur sieht unser städtebaulicher Entwurf von damals vor, die Gerade, wie sie heute besteht, zu brechen und die Straße in einer Diagonale über die Fuggerstraße umzuleiten, die zu einem Boulevard ausgebaut werden könnte. So könnte sie ein mögliches neues Stadtviertel erschließen. Etwa auf Höhe der Müllverbrennung würde sie wieder in die Bestandstrasse münden.

"Die Gerade brechen": In dem Entwurf von Sven Jessl und seiner Kommilitonin Victoria Konuk an der Technischen Hochschule Nürnberg aus dem Jahr 2017/2018 geht es darum, den Frankenschnellweg über die Fuggerstraße zu leiten, die dann ein Boulevard rund um ein neues Quartier werden könnte. Denn beidseits des Frankenschnellwegs ist derzeit nur Industriebrache anzutreffen. Der blaue Kreis zeigt die jetzige Bebauung an der Kreuzung Rothenburger Straße/Frankenschnellweg.

"Die Gerade brechen": In dem Entwurf von Sven Jessl und seiner Kommilitonin Victoria Konuk an der Technischen Hochschule Nürnberg aus dem Jahr 2017/2018 geht es darum, den Frankenschnellweg über die Fuggerstraße zu leiten, die dann ein Boulevard rund um ein neues Quartier werden könnte. Denn beidseits des Frankenschnellwegs ist derzeit nur Industriebrache anzutreffen. Der blaue Kreis zeigt die jetzige Bebauung an der Kreuzung Rothenburger Straße/Frankenschnellweg. © e-arc-tmp-20210413_144327-1.jpg, NNZ

Was ist die Idee dahinter?

Jessl: Unsere Überlegung war: Wie kann man in diesem Bereich die Stadt so gestalten, dass sie wieder zusammengehört? Denn der Bahndamm wird bleiben. Also könnte man dort auf den Industrieflächen und entlang des jetzigen Frankenschnellwegs Wohnbebauung ansiedeln, die neue Trasse würde quasi um diese Viertel herumführen. Sie wäre nicht mehr die kürzeste und bequemste Verbindung durch die Stadt, es würde viel Durchgangsverkehr wegfallen. Mit solchen Gedankenspielen zu experimentieren, ist Teil unserer Forschungsarbeit gewesen.

In der Diskussion ist auch der Vorschlag, die Trasse abzustufen, etwa in eine Tempo-30-Zone, oder dort den Alten Kanal wieder zu beleben, der auf dieser Route floss. Sind das einfach nur hippe Ideen junger Stadtplaner?

Jessl: Es gibt eine Reihe an Vorbildern, die Verkehrsachsen aus dem Stadtbild nehmen. Ulm etwa. Dort hat man eine vielbefahrene innerstädtische Straße zurück gebaut. Und dort hat man schon in den 1990er Jahren eine Untertunnelung der Innenstadt mit einem Bürgerentscheid verhindert. Ich würde mir auch für Nürnberg einen Bürgerentscheid bei der weitreichenden Frage nach der Zukunft des Frankenschnellwegs wünschen.

Vor allem der zunehmende Lkw-Verkehr belastet die Anwohner mit Abgasen und Lärm.

Vor allem der zunehmende Lkw-Verkehr belastet die Anwohner mit Abgasen und Lärm. © David Ebener, NNZ

Was müsste jetzt in Nürnberg passieren, damit die festgefahrenen Fronten sich auflösen können?

Jessl: Man braucht jetzt eine Exit-Strategie. Der Knoten muss sich lösen und jeder muss zu Zugeständnissen bereit sein. Vor allem muss sich die Stadt positionieren und klar machen, ob es noch eine reele Chance für Alternativen gibt. Vielleicht besteht auch die Möglichkeit, bestehende Entwürfe umzugestalten. Man müsste gemeinsam überlegen, ein integrativer städtebaulicher Wettbewerb für verschiedene Fachrichtungen wie Stadt- und Verkehrspläner wäre dann nötig.

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