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Gänseplage am Wöhrder See: "Bejagung steht nicht an"

31.7.2021, 06:00 Uhr
Geschätzt 180 Kanada- und Graugänse leben am Wöhrder See. Sie sind zur Plage geworden, ihre Hinterlassenschaften zum großen Ärgernis.

© Eduard Weigert, NNZ Geschätzt 180 Kanada- und Graugänse leben am Wöhrder See. Sie sind zur Plage geworden, ihre Hinterlassenschaften zum großen Ärgernis.

Es gibt ein böses Gerücht, das erzählt man sich so: Am Dutzendteich gibt es keine Probleme mit Gänsen, weil die dortigen Anwohner nicht lange fackeln, den Tieren nachts den Hals umdrehen und sich aus ihren Opfern einen sättigenden Braten zubereiten. Diejenigen, die sich dieses Gerücht zuraunen, schauen mitleidig auf den Wöhrder See.

Der ist wunderschön, mit Badebucht und Liegewiesen, und gleichzeitig furchtbar verdreckt. Geschätzt 180 Gänse tummeln sich hier. Ihr schmieriger Kot verklebt das Gras, ihr Mist sprenkelt die Wege als grünliche Fladen. Der Wöhrder See hat ein Gänse-Problem. Schon wieder.

Als vor zehn Jahren mit dem Bau der "Wasserwelt Wöhrder See" begonnen wurde, wuchs der Zwist zwischen Mensch und Federvieh. Auch Gänse lieben die gut zu überschauenden Sandstrände der "Wasserwelt", wohlmeinende Tierfreunde fütterten sie zusätzlich an. Die Population wuchs, die Menge an Gänsekot auch.

Morddrohungen von Tierfreunden

2018 dann erging die Entscheidung der Stadt, einige Tiere abschießen zu lassen. Es folgten: der Fund einer angeschossenen Gans im Todeskampf, Morddrohungen gegen Bürgermeister Christian Vogel. Die Stadt stellte die Bejagung ein, sie schaffte sich einen Spezial-Traktor an, der Gänsekot aus dem Boden kehren kann und ließ 2019 die Eier im Gelege durch Betoneier austauschen. Zunächst ging das gut.

Auch Gänse lieben breite, gut zu überschauende Badestrände und Liegewiesen. Die Folge: überall schmieriger Gänsekot.

Auch Gänse lieben breite, gut zu überschauende Badestrände und Liegewiesen. Die Folge: überall schmieriger Gänsekot. © Harald Sippel, NNZ

Doch dann verhinderte der erste Lockdown der Corona-Krise, dass die Menschen den Gänsen Betoneier unterschieben konnten. Das Eier-Austauschen im Rahmen eines wissenschaftlichen Versuchs galt nicht als systemrelevante Tätigkeit. "Die Population war durch die Eientnahme dezimiert", sagt Nadine Franck vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör), "aber durch die fehlende Behandlung im letzten Jahr ist die Population wieder auf das Maß des Ausgangsjahres angestiegen". Sör kümmert sich zusammen mit der städtischen Tochtergesellschaft Noris-Arbeit um die Sauberkeit am Wöhrder See.


Hier finden Sie alles über die Wasserwelt Wöhrder See.


Ob überhaupt jemals wieder Betoneier in Gänse-Nestern liegen werden, steht in den Sternen. Die Ei-Entnahme war nämlich nur im Rahmen des wissenschaftlichen Versuchs der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft erlaubt. Dieser Versuch sollte beweisen, dass die Entfernung von Eiern geeignet ist, die Gänsepopulation im Zaum zu halten. In Nürnberg zeigte sich zwar, dass das klappt – das bringt aber zunächst nichts.

Der Grund ist das Bundesjagdgesetz. Dort heißt es in Paragraf 22 unter anderem: "Das Ausnehmen der Gelege von Federwild ist verboten", erlaubt ist dies nur bei Ringel- und Türkentauben sowie bei Silber- und Lachmöwen. Dieser Passus müsste also geändert werden, doch die Novellierung scheiterte vor dem Bundestag. Nun versucht es die Stadt Nürnberg mit einem Umweg über das Bayerische Jagdgesetz, indem wenigstens hier das "Ausnehmen der Gelege" erlaubt werden soll.

Die Vögel versammeln sich an gut zu sichernden Stellen wie den Badestränden am Wöhrder See.

Die Vögel versammeln sich an gut zu sichernden Stellen wie den Badestränden am Wöhrder See. © Eduard Weigert


Im Rahmen der Erforschung zum "Management von Wildgänsen" befindet sich Nürnberg im Austausch mit anderen Städten. Dabei nimmt Nürnberg eine Sonderrolle ein, da der Wöhrder See ein städtisches Umfeld hat, anders etwa als Rothsee oder Brombachsee. Außerhalb Bayerns hat auch Stuttgart im Stadtgebiet ein Problem mit Gänsen, vor allem mit den aus Afrika stammenden Nilgänsen. Diese lieben die Nähe zur Großstadt, lassen sich in Freibädern und Parks nieder. Vergrämungsmaßnahmen seien geprüft, aber verworfen worden, teilt ein Sprecher der Stadt Stuttgart mit: "Die invasive Art nutzt die freiwerdenden Räume zum sofortigen Nachzug. Teilweise wurden Wiesen während der Brutzeit abgesperrt."
Auch in Heidelberg fühlen sich Nilgänse im Stadtgebiet überaus wohl, geschätzt 118 dieser Tiere leben dort. "Die Jagdpächter sind aufgefordert, die Nilgans verstärkt dort zu bejagen, wo eine gefahrfreie Jagd möglich ist", so eine Sprecherin der Stadt Heidelberg. Im Jagdjahr 2020/2021 seien 68 Gänse erlegt worden.


"Wenn auch dieser Vorstoß scheitert, wird es im nächsten Jahr keine Ei-Entnahme geben und damit auch wieder ein Anwachsen der Gänsepopulation", sagt Nadine Franck. Der Abschuss wäre zwar erlaubt. "Eine Bejagung steht aber nicht an", versichert sie.

Bleibt noch die Hoffnung, die Gänse für den oberen Teil des Wöhrder Sees zu interessieren, der naturbelassener ist. Dort flanieren, joggen und sitzen weit weniger Menschen, die sich über Gänsekot beklagen könnten.

Die Chancen dafür stehen schlecht, befürchtet Klaus Jäger vom Landesbund für Vogelschutz. Der Nürnberger Kreisgruppenvorsitzende weiß, dass die Tiere sich überall in Nürnberg heimisch fühlen. Ob die Anwohner des Dutzendteichs öfter Gänsebraten im Ofen haben als andere Nürnberger, weiß Jäger auch nicht. Sicher aber ist: Auch dort gibt es eine Gänseplage. "Allerdings halten sich hier die Tiere eher an den Flachweihern auf und nicht direkt in den Grünanlagen", erklärt Sör-Sprecherin Franck.

"Man müsste die Gänse irgendwo anfüttern und wegfangen", überlegt Klaus Jäger. "Nachts und dezent" müsse das stattfinden, mit Fingerspitzengefühl für die Befindlichkeiten der Stadtbewohner. "Oder man nimmt alles hin. Es gibt kein Allheilmittel, das es jedem recht macht."

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