Geflüchtete Olympia-Dritte Alizadeh trainiert in Nürnberg

5.3.2020, 11:58 Uhr
Ein historischer Erfolg Rio: Kimia Alizadeh gewann 2016 als erste iranische Frau eine Medaille bei Olympia.

© PEYMAN Ein historischer Erfolg Rio: Kimia Alizadeh gewann 2016 als erste iranische Frau eine Medaille bei Olympia.

Mit jedem weiteren Tag wird es ein bisschen unwahrscheinlicher, dass Kimia Alizadeh ihren Traum leben kann. Diesen Traum von den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Eigentlich kämpft die 21 Jahre Sportlerin beim Taekwondo auf der Matte gegen eine Gegnerin, die sie jederzeit schlagen kann. Der Kampf, den Alizadeh seit ein paar Tagen führt, ist allerdings einer, bei dem sie sich nicht auf ihr Können und den unbedingten Siegeswillen verlassen kann.

Im Januar hat Kimia Alizadeh ihre Heimat verlassen. Im Iran war sie eine Heldin, vor vier Jahren in Rio gewann sie mit 17 Jahren die Bronzemedaille – als erste iranische Frau überhaupt. Und dann auch noch mit Kopftuch. Für das islamisch geprägte Land war das ein Zeichen an die Sportwelt, doch in diesem Jahr wird Alizadeh nicht mehr für den Iran kämpfen. Und sie wird auch nicht mehr zurückkehren in dieses Land, in dem sie 20 Jahre ihres Lebens verbracht hat.

"Ich bin eine von Millionen unterdrückten Frauen in Iran, mit denen sie nach Belieben seit Jahren spielen", schrieb sie vor sechs Wochen bei Instagram. "Ich habe mich gekleidet, wie sie wollten. Ich habe jeden Satz wiederholt, den sie angeordnet haben. Es geht nicht um mich, nicht um uns. Wir sind nur Werkzeuge." Mitte Januar landete die Sportlerin mit einem Visum in Spanien, von dort ging es in die Niederlande und dann weiter nach Hamburg. Seit knapp zwei Wochen lebt Alizadeh in Nürnberg und trainiert am Bundesstützpunkt in Langwasser.

Der Todesstoß für Tokio?

"Es gibt nicht viele Vereine, die auf diesem Niveau trainieren", sagt Alfred Castaño Manías von Taekwondo Özer. "Deshalb hat ihr Weg automatisch zu uns geführt." Nach einem Probetraining vor zwei Wochen hat der Vorstand die Stadt kontaktiert, Sportbürgermeister Klemens Gsell und OB Ulrich Maly "waren sehr hilfsbereit", auch das Bundesinnenministerium weiß bereits Bescheid. Seit Donnerstag vergangener Woche sind alle notwendigen Unterlagen ausgefüllt, damit Kimia Alizadeh in Nürnberg bleiben und, noch wichtiger, so schnell wie möglich für Deutschland auf Turnieren kämpfen darf.

Die Entscheidung liegt jetzt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Es ist ein Kampf gegen die Zeit, wenn es noch ein paar Tage länger dauert, "dann wäre das der Todesstoß für die Teilnahme in Tokio", sagt Castaño Manías. Dort könnte sie für das Refugee Olympic Team kämpfen, das das Internationalen Olympische Komitee vor vier Jahren bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro erstmals starten ließ. In Nürnberg schauen sie aber schon weiter: Gemeinsam mit "unserem Supertalent" Alena Hadzic soll sich die Olympia-Dritte am Bundesstützpunkt auf die Spiele in vier Jahren vorbereiten – und ihren Traum leben.