Kundgebung am Kanal

Gigantisches ICE-Werk im Nürnberger Hafen: Umweltschützer kämpfen weiter

Hartmut Voigt

Lokalredaktion Nürnberg

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24.4.2022, 18:00 Uhr
Gigantisches ICE-Werk im Nürnberger Hafen: Umweltschützer kämpfen weiter

© Roland Fengler, VNP

Die Fahrrad-Sternfahrt am Sonntagvormittag zum Nürnberger Hafen wurde wegen Dauerregens zwar abgesagt, doch an der Veranstaltung selbst hielt der Bund Naturschutz (BN) fest. An der Personenschifffahrts-Anlegestelle unterstrich der BN seine Forderung, dass der Hafen als möglicher Standort für das geplante ICE-Werk ins Raumordnungsverfahren eingebracht werden müsse. Die Bürgerinitiativen der im Verfahren befindlichen Grundstücke (zweimal Flächen bei Feucht sowie Harrlach) unterstützten dieses Anliegen lautstark.

Über Absage enttäuscht

Über die plötzliche Absage der Deutschen Bahn, auch den Hafen einzubeziehen, zeigte sich Albrecht Röttger vom Bund Naturschutz enttäuscht. Er hatte die Idee eines ICE-Werks im Hafen entwickelt. In mehreren Gesprächsrunden hatten Vertreter von Bund Naturschutz (BN), Deutscher Bahn, Stadt Nürnberg und des Hafens diese Möglichkeit in den vergangenen Monaten erörtert. Röttger bewertete es als sehr positiv, dass das Schienenunternehmen den Bau dort grundsätzlich für möglich hält: "Die Bahn hat schließlich bestätigt, dass man das ICE-Werk planerisch und technisch im Hafen unterbringen kann."

Bei den drei anderen Standorten müsste viel Reichswald abgeholzt werden, dies lehnt der BN ganz entschieden ab. "Der Wald ist in der Klimakrise unersetzbar für die Frischluftzufuhr und Abkühlung im Nürnberger Großraum, der nach der Klimaprognose des bayerischen Umweltministeriums in den nächsten Jahrzehnten eine bedrohliche Dürre und Hitze erleben wird", betonte Nürnbergs BN-Vorsitzender Klaus-Peter Murawski. Außerdem sei der Reichswald lebenswichtig für die Trinkwassergewinnung.

"Keine billige Verfügungsmasse"

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Verena Osgyan hielt fest, dass der Bannwald keine "billige Verfügungsmasse" sei. Der konstruktive Vorschlag des BN komme ohne neue Flächenversiegelung aus, so die Politikerin. Dass die Bahn für das Raumordnungsverfahren nur Bannwald-Flächen benannt habe, ist ihr unverständlich. Wenn am Ende herauskomme, dass keines der drei Areale geeignet ist, müsse die Bahn dies hinnehmen und Alternativen suchen.

Die Bürgerinitiative "Kein ICE-Werk bei Harrlach" weist darauf hin, dass die Stadt Fürth ihr Trinkwasser aus dem Wald bei Harrlach bezieht. Insofern gehe es neben dem Klimaschutz durch die Bäume auch um die Ressource des knapper werdenden Lebensmittels Wasser.

Als ärgerlich empfindet BI-Sprecherin Verena Masopust die Haltung der Nürnberger CSU: "Scheinbar ist nach der Logik der CSU ein ICE-Werk mitten im Bannwald besser aufgehoben als in einem bestehenden Industriegelände, dem Hafen." Sie kritisiert die Äußerung der Konservativen, dass für die Bürger der Stadt ein ICE-Werk eine "unerträgliche Zusatzbelastung" wäre. "Der Bevölkerung außerhalb Nürnbergs kann man dies aber scheinbar zumuten", empört sich Masopust.

Kampfstoffe im Erdboden

Herbert Fahrnbauer aus Feucht von der Bürgerinitiative "Kein ICE-Werk im Reichswald" wies auf die riesigen Probleme der Muna Feucht hin. Dort lagern immer noch Weltkriegsbestände von Senfgas im Erdboden. Auch das einst zweitgrößte Treibstofflager der Welt, das die Militärs dort unterhalten hatten, habe Verunreinigungen im Untergrund hinterlassen. Außerdem müsse man dort mit Sprengstoff rechnen. Diese Belastungen allein schon machten es unmöglich, ein ICE-Werk wie geplant 2028 zu eröffnen.

Die Bürgerinitiativen kämpfen für den Bannwald und wollen ihre Bedenken, Argumente und Ängste in das Raumordnungsverfahren einbringen, bei dem auch die Bürger zu Wort kommen sollen. Über 50.000 Unterschriften sind bei der Regierung von Mittelfranken hierzu schon eingegangen.

Während der Veranstaltung am Hafen richtete Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des Bund Naturschutz, einen flammenden Appell an die Zuhörer, die trotz des Nieselregens ausharrten: "Man muss alle Planungen, die offiziell als unverrückbar hingestellt werden, hinterfragen."

Als er vor einem halben Jahrhundert mit seinem Engagement für den Reichswald begonnen habe, sei dieser das am stärksten gefährdete Waldgebiet Deutschlands gewesen. Bei Harrlach sollte einst ein moderner Rangierbahnhof entstehen. Der energische Protest von Bürgerinnen und Bürgern aus Wendelstein, Feucht, Schwanstetten und anderen Orten habe dies damals verhindert.

"Bürgereinsatz lohnt"

Der vorhandene Nürnberger Rangierbahnhof wurde daraufhin gründlich modernisiert, sodass die Arbeitsplätze gerettet wurden und kein neuer Rangierbahnhof nötig war, erinnerte sich Weiger. Seine Folgerung: "Bürgereinsatz lohnt sich! Man braucht einen langen Atem, um durchzuhalten." Es gehe darum, dass geltendes Gesetz vollzogen werde. Denn der Staat habe den Bannwald per Rechtsverordnung für unverzichtbar erklärt.

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