Glaswände in der U-Bahn: In Nürnberg eine Utopie?

21.8.2019, 06:00 Uhr
Glaswände in der U-Bahn: In Nürnberg eine Utopie?

© Archivfoto: Christoph Sator, dpa

Ein Problem in Nürnberg ist, dass etliche der U-Bahnhöfe – und damit deren Bahnsteige – an der Pegnitz in einer Kurve verlaufen, was konstruktive Probleme mit sich brächte. Zum anderen ist problematisch, dass die Züge hier mit Stahlrädern ausgestattet sind, die beim Bremsen auf dem ebenfalls stählernen Gleis immer ein wenig schlupfen. Mit der Folge, dass die Züge in der Regel keine Punktbremsung hinlegen können, sondern mit Abweichungen von 20 bis 30 Zentimetern zum Stehen kommen.

Das ist deutlich zu viel für ein Sicherungssystem, bei dem Zugtüren und Bahnsteigtüren exakt gegenüberstehen müssen. Andernfalls entstünden Spalte und ungeschützte Bereiche, in denen es beim Ein- und Aussteigen der Fahrgäste zu Unfällen kommen könnte.

Eine Lösung verspricht nun die moderne Zugleittechnik. Das meint jedenfalls die Münchener Verkehrsgesellschaft (MVG). Das digitale CBTC-System (die Abkürzung steht für "Communication Based Train Control") erlaube ein Anhalten der Züge auf den Punkt und könne damit prinzipiell den Einsatz von Bahnsteigtüren möglich machen. Überdies erlaube das System sehr dichte Zugabstände von nurmehr 120 Sekunden – ein wichtiges Argument, wenn man noch mehr Menschen aus dem eigenen Auto in den öffentlichen Nahverkehr locken möchte.

Ob das CBTC-System tatsächlich den Einbau von Glaswänden ermöglicht, wird sich im Feldversuch zeigen. Die Nachrüstung der Münchener U-Bahn wäre grundsätzlich möglich, geht aus einer Machbarkeitsstudie hervor, die die MVG vor wenigen Tagen vorgestellt hat. Deshalb wird nun der U3-Bahnhof Olympiazentrum der Landeshauptstadt für ein Pilotprojekt vorbereitet. An einem der vier Bahnsteige soll ab 2023 eine Glaswand mit festen, zughohen Türen stehen, um die Systeme im Echtbetrieb zu testen.

Sicherheitstechnik auf sehr gutem Stand

Die VAG beobachtet dies genau und steht (nicht nur) mit den Münchenern in ständigem Austausch, sagt Unternehmenssprecherin Elisabeth Seitzinger auf Anfrage. Allerdings seien solche Entwicklungen nicht von heute auf morgen umsetzbar. Und: Die Kosten einer Nachrüstung wären enorm.

Die MVG rechnet mit einem dreistelligen Millionenbetrag für die Nachrüstung des gesamten U-Bahnnetzes in der Landeshauptstadt – falls das Pilotprojekt zu entsprechend positiven Ergebnissen kommt. Wenn dann die VAG mit einer Umsetzung auch in Nürnberg liebäugeln würde, hätte zunächst einmal der Stadtrat das Sagen – denn die Investitionen wären von der Stadt Nürnberg zu tragen.

Dessen ungeachtet ist die Sicherheitstechnik der Nürnberger U-Bahn auf sehr gutem Stand, unterstreicht VAG-Sprecherin Seitzinger. Im Bereich der automatischen U-Bahn – also der Linien U2/U3) – sind sowohl das Zugsicherungssystem als auch die Bahnsteigsicherung erst zehn Jahre alt – und damit auch technisch noch relativ neu. Die Systeme funktionierten lückenlos, so Seitzinger.

Machbarkeitsstudie als Grundvoraussetzung

Das bescheinigte jüngst auch die FAZ am Sonntag der VAG. Die Anfangsprobleme mit Tauben, die in die Überwachungsstrahlen im Gleisbereich gerieten und so Züge zum Stopp zwangen, sind längst gelöst. Das System könne die Tiere inzwischen erkennen.

 

Dieses Transpondersystem der automatischen U-Bahn, das mit Hochfrequenz-Strahlen arbeitet, könnte möglicherweise auch eine Lösung für die U1 sein. Dort steht in absehbarer Zeit die Erneuerung des Zugleitsystems an, das schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat und noch auf (längst überholten) Relaisstellwerken basiert. Die VAG geht perspektivisch von einem Zeitraum von zehn Jahren aus. Vielleicht aber favorisiert die VAG dann lieber die Bahnsteig-Glaswände, zumindest für Bahnhöfe mit höherem Fahrgastaufkommen. Doch auch in Nürnberg wäre eine Machbarkeitsstudie die Grundvoraussetzung, um hier überhaupt ernsthaft weiterdenken zu können. Und darüber dürfte noch einige Zeit ins Land gehen.

31 Kommentare