"Ganzer Jahrgang weggebrochen" 

Immer mehr Kinder in Nürnberg können nicht schwimmen - das unternimmt die Stadt dagegen

17.8.2021, 16:09 Uhr
Immer mehr Kinder in Nürnberg können nicht schwimmen - das unternimmt die Stadt dagegen

© Jens Büttner/dpa

Nürnbergs Oberbürgermeister kennt die Problematik. Marcus König ist in Sorge wegen der "hohen Anzahl wasserfremder Kinder, vor allem in den Grundschulen, aber genauso in den weiterführenden Schulen Nürnbergs". Durch Corona habe sich die Situation beim Schwimmenlernen noch weiter verschärft. Abhilfe soll das "Projekt Seepferdchen" leisten, das der SportService der Stadt zusammen mit den städtischen Bädern und mehreren Vereinen organisiert.

Ganzer Jahrgang weggebrochen

Ihr Ziel: in den Ferien so viele Kinder wie möglich ins Wasser zu bringen. Damit soll vor allem bei einkommensschwachen Familien aufgeholt werden, was im vergangenen Schuljahr ausgeblieben ist.

Durch Corona lagen vor allem die Grundschulklassen auf dem Trockenen. Wie viele genau? Da muss Michael Kolb vom SportService nicht lange überlegen: Alle. "Uns ist ein ganzer Jahrgang weggebrochen", klagt er.

Das Seepferdchen-Programm soll helfen. Schon seit 2011 steuert Nürnberg damit dem Trend entgegen, dass immer mehr Kinder nicht schwimmen oder sich nur schlecht über Wasser halten können. 30 000 Euro zahlt die Stadt im Jahr, um damit auch Schwimm-Zusatzangebote im Rahmen der Ganztagsbetreuung zu ermöglichen. Oder Assistenten im Schulschwimmunterricht, die bereits beim Umkleiden der Kinder
helfen und Kinder, die Angst vor Wasser haben, einzeln betreuen.

Seepferdchen ist ein Einstieg

Das klappt bislang gut. Mit Hilfe der Schulschwimm-Assistenten haben in den vergangenen zehn Jahren 7700 Kinder erste Schwimmerfahrungen gesammelt. Dabei haben die Kinder 1900 Schwimm-Abzeichen abgelegt. Ziel des Projekts ist immer das Seepferdchen. Das soll die Kinder motivieren dranzubleiben.

Denn das Abzeichen ist nur der Anfang, sagt Matthias Bach. Das sei "toll und wichtig", findet der operative Betriebsleiter bei NürnbergBad. "Sicheres Schwimmen aber beginnt erst mit Bronze, wenn die Kinder 200 Meter am Stück schwimmen können." Das könne lebensrettend sein.

Die vielen Kinder in Nürnberg so weit zu bekommen – das kann die Stadt nicht allein. Marcus König betont, dass "die Sportvereine auch eigene Schwimmkurse anbieten, damit wir gemeinsam die Zahl der Nichtschwimmenden reduzieren".

Immerhin: 500 Kinder sollen in diesem Sommer das Seepferdchen schaffen, sagt Matthias Bach. Doppelt so viele wie ursprünglich geplant. Und dennoch zu wenige.

Eine Frage des Platzes

Wer sich rechtzeitig an das Wasser gewöhnt, hat gute Chancen ein furchtloser und sicherer Schwimmer zu werden. 

Wer sich rechtzeitig an das Wasser gewöhnt, hat gute Chancen ein furchtloser und sicherer Schwimmer zu werden.  © Jens Büttner/dpa, NNZ

Die Nichtschwimmerquote, das wissen alle Beteiligten, wird heuer im Sportunterricht deutlich höher sein als bisher. Weitere Kurse sind nötig, sagt auch NürnbergBad-Chef Christian Vogel. Er weiß aber auch: Zusätzliche Flächen hat die Stadt fast nicht – und die sind ausgebucht. "Also wem nehmen wir sie weg?"

Zusätzliche Schwimmkurse am Wochenende würden etwa Familien verdrängen, für die in den Nichtschwimmerbecken dann kein Platz ist. "Wir müssen eine Linie festlegen", sagt Vogel – um dann noch ein weiteres Problem anzusprechen. "Schwimmlehrer fehlen", gibt er zu bedenken. Viele haben sich wegen der Pandemie Alternativen gesucht. "Wir können nicht schnippen und sie sind zurück."

Zwei Wochen am Stück

Kurz vor den Ferien hat es ein Treffen zwischen den städtischen Bädern, Vereinen und Schulreferat gegeben, um Lösungen zu finden. Eine zeichnet sich ab: Auch künftig soll in den Ferien einiges aufgeholt werden, sagt Matthias Bach. Aber erst ab Ostern, "denn wir brauchen einfach zwei Wochen am Stück".

Weitere Möglichkeiten wurden diskutiert. Spruchreif, sagt Bach, sei aber noch nichts. Klar ist: "Irgendwem müssen wir wehtun." Es gebe aber Ansätze, "ohne Magenschmerzen, nur mit leichten Wehwehchen".

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