Kampf gegen Spielsucht: "Zwergenaufstand" in Nürnberg

26.9.2019, 06:00 Uhr
Kampf gegen Spielsucht:

© Foto: Michael Matejka

Im Schnitt dauert es acht Jahre. So lange verwickeln sich Spielsüchtige immer weiter in das Netz aus Problemen, das die Sucht immer weiter spinnt. Erst dann suchen sich Betroffene oder deren Angehörige Hilfe. Bei der Stadtmission etwa – die steckt auch hinter dem Zwergenaufstand in 20 bayerischen Städten. In Nürnberg haben die beiden Suchtberater Anita Diesener und Thomas Bauer in der Pfannenschmiedgasse Gartenzwerge aufgestellt. Die Figuren stehen stellvertretend für die Betroffenen hier. "Glücksspiel bringt Unglück", "Wetten dass" und "du verlierst" steht auf ihren Schildern. "Für Betroffene ist die Spielsucht ein großes Problem", sagt Bauer. Schulden, Konflikte, Heimlichtuerei – im Grunde sind die Folgen nicht anders als bei anderen Süchten auch. Im Gegensatz zur Sucht nach Alkohol und illegalen Drogen fehle lediglich die körperliche Dimension, so Diesener. Den Betroffenen sehe man die Sucht nicht an.

So unterschiedlich wie die Schilder, die die Zwerge halten, sind auch die Betroffenen: Sie kommen aus allen Schichten. Ein paar Gemeinsamkeiten haben sie meist aber doch: Hauptsächlich sind Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren betroffen – und häufig sind es gerade die leistungsorientierten Männer, die problematisch spielen.


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Sportwetten, klassische Automaten und Online-Glücksspiel seien oft die Türöffner, so Bauer. Süchtig nach Lotto sei in zehn Jahren gerade einmal einer seiner Klienten gewesen. Das Problem gerade bei Sportwetten: die gefühlte Kompetenz. Jemand, der glaubt, dass er sich bei einer Sportart auskenne, blendet das Risiko aus, dass er bei einer Wette auf ein bestimmtes Sportereignis doch verlieren kann. Er spielt weiter. Schiebt den Verlust auf eine Pechsträhne. Macht Schulden, weil er bei der nächsten Wette ganz genau zu wissen glaubt, was bei der Partie passieren wird. Das alles macht er heimlich. Der Partner darf nicht mitbekommen, dass das Konto überzogen ist, Rechnungen nicht bezahlt werden können.

Spätestens dann, wenn das Spielen den Alltag bestimmt, sollte man sich Hilfe holen, so Bauer. Bei der Stadtmission etwa, die gemeinsam mit dem Betroffenen erst einmal analysiert, ob überhaupt eine Sucht vorliegt, wie schlimm sie ist und welche Hilfe nötig ist. Auch Angehörige von Spielsüchtigen können sich dort helfen lassen. Manchmal kommt ein Süchtiger auch zusammen mit seinem Partner zur Beratung.

Bauer und Diesener sehen aber auch den Staat in der Pflicht. Derzeit sei der Glücksspielmarkt mit dem Wilden Westen zu vergleichen, so Bauer. Gerade bei den Sportwetten sei das problematisch, so Bauer. Die Bars, in denen diese angeboten werden, sprießen schließlich nach wie vor an vielen Ecken in der Stadt aus dem Erdboden. Offenbar haben sie genug Kundschaft. Bei der Stadtmission melden sich immer mehr Menschen, die abhängig von Sportwetten sind. Diesener nennt es ein "Milliardengeschäft".

Auch den Kampf dagegen sollen die Zwerge in der Innenstadt verdeutlichen: einen Zwergenaufstand gegen die Anbieter.

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