Karlsruher Entscheidung zum Fall Mollath hat Folgen

6.9.2013, 06:47 Uhr
Der Fall Gustl Mollath könnte weitreichende Folgen für die künftige Unterbringung in Psychiatrien haben.

© dpa Der Fall Gustl Mollath könnte weitreichende Folgen für die künftige Unterbringung in Psychiatrien haben.

Die Schlussfolgerung von Michael Kleine-Cosack ist fundamental. „Letztlich hätte man Gustl Mollath niemals in der Psychiatrie unterbringen dürfen“, sagt der Anwalt aus Freiburg, der bereits vor über einem Jahr Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe gegen die Einweisung des heute 56-jährigen Nürnbergers eingereicht hatte.

Auf freiem Fuß ist sein Mandant bereits seit einem Monat. Das Oberlandesgericht (OLG) in Nürnberg hatte Anfang August das Urteil aus dem Jahr 2006 aufgehoben, das Mollath für sieben Jahre zwangsweise in die Psychiatrie brachte. Es wird eine neue Verhandlung geben. Die jetzt erfolgreiche Beschwerde in Karlsruhe richtete sich gegen zwei Jahre alte Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth sowie des Bamberger Oberlandesgerichts.

Diese Instanzen hielten Mollath nach wie vor für so gefährlich, dass er eingesperrt bleiben müsse. Diese Entscheidungen haben, so das Bundesverfassungsgericht, das Grundrecht auf Freiheit der Person und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, der ebenfalls im Grundgesetz verankert ist. Man müsse viel genauer darlegen, welche Straftaten konkret von Gustl Mollath zu erwarten sind und warum der Grad der Wahrscheinlichkeit solcher Taten sehr hoch ist. Das höchste deutsche Gericht hat außerdem festgestellt, dass Umstände, die Mollath entlasten, „keine erkennbare Berücksichtigung“ gefunden haben.

Der Nürnberger stand 2006 vor dem Nürnberger Landgericht, weil er seine damalige Ehefrau geschlagen und gewürgt haben soll. Außerdem war ihm zur Last gelegt worden, Reifen an mehreren Autos zerstochen zu haben.

Das heute höchst umstrittene Verfahren endete mit einem Freispruch wegen Schuldunfähigkeit. Mollath leide, so hieß es im Urteil, unter dem krankhaften und gemeingefährlichen Wahn, Opfer eines Bankensystems zu sein. Er hatte seiner Frau vorgeworfen, als einstige Mitarbeiterin der HypoVereinsbank in Nürnberg an kriminellen Schwarzgeldverschiebungen beteiligt zu sein.

Schwere Vorwürfe

Recherchen der Nürnberger Nachrichten hatten im vergangenen Jahr ergeben, dass Mollaths Vorwürfe einen wahren Kern haben. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft in Regensburg auch festgestellt, dass er seine Vorwürfe keineswegs wahllos gegen unbeteiligte Dritte erhoben hatte, wie es damals im Urteil hieß.

Nach Auffassung von Kleine-Cosack haben Gerichte und Sachverständige in all den Jahren seit 2006 die Unterbringung seines Mandanten „immer wieder ohne sorgfältige Prüfung“ bestätigt. Der Anwalt spricht auch von einer „Ohrfeige“ für Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU). Sie habe „verfassungsblind und inhuman“ die Erkenntnisse, die in den vergangenen zwei Jahren auftauchten, sowie „Menschenrechtsverletzungen der bayerischen Justiz“ ignoriert.

Bayerische Richter, Staatsanwälte und Gutachter seien, so Michael Kleine-Cosack, selbst einem „Gefährlichkeitswahn“ im Hinblick auf die Person Gustl Mollaths erlegen. „Sie müssen sich fragen lassen, wie sie zu ihren rechtswidrigen Entscheidungen gelangen konnten.“

Menschenrechtliche Defizite

Für den Freiburger Juristen zeigt die Karlsruher Entscheidung weit über den Fall Mollath hinaus. Wenn es um die Einweisung in die forensische Psychiatrie geht, weise die Praxis in Deutschland massive „menschenrechtliche Defizite“ auf.

Seiner Einschätzung nach dürften unzählige Menschen untergebracht sein, welche nicht das Glück hatten, dass sich einzelne Bürger, Teile der Öffentlichkeit sowie Parteien für ihr Schicksal interessieren. Es führe kein Weg daran vorbei, den maßgeblichen Paragrafen 63 im Strafgesetzbuch zu ändern.

Das sieht auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) so. Sie will einen zweiten Fall Mollath vermeiden. „Es kann nicht bei diesem Recht der Unterbringung in psychiatrischen Einrichtungen bleiben“, sagt sie zur Karlsruher Entscheidung. Notwendig seien Gesetze, an die strengere Anforderungen geknüpft sind. Lange dürfe man mit Änderungen nicht mehr warten.

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