Kleider-Tauschbörse: Neues Leben für die toten Hosen

4.5.2012, 10:55 Uhr
Kleider-Tauschbörse: Neues Leben für die toten Hosen

© Roland Fengler

Hier kommt Kleiderkreisel.de ins Spiel. Die Onlineplattform setzt auf Recycling und kämpft stilvoll gegen Verschwendung, wie es auf der Homepage heißt. Man will Secondhand-Kleidung wieder zur ersten Wahl machen. Ziel ist es, die Umwelt zu schonen, den nachhaltigen Konsum zu fördern und ganz nebenbei das loszuwerden, was man sowieso nie trägt. „Wir bringen Leute zusammen, die Klamotten und Accessoires tauschen wollen, die teuer gekauft und trotzdem nie getragen werden oder einfach nicht mehr zu einem passen“, so Sophie Utikal, eine der Kleiderkreisel-Gründerinnen: „Bevor die Sachen als Schrankleichen einstauben oder man sie wegwirft, soll noch jemand anderes seine Freude daran haben.“

Brautkleider werden besonders oft getauscht

Die Website hat auch in Nürnberg zahlreiche Anhänger. Selina Baumgart und Christina Lang sind seit zwei Jahren Mitglieder und stöbern regelmäßig in dem riesigen virtuellen Kleiderschrank. Beiden gefällt die familiäre Atmosphäre, in der man mit anderen Interessenten über Artikelpreise verhandelt und Freundschaften schließt. Als weiteres Plus sehen die Freundinnen die kostenlose Anmeldung und Nutzung, was zusätzlich den Geldbeutel schont.

Mit einer Nachricht nimmt man Kontakt zu anderen Usern auf, die in ihrem sogenannten virtuellen Katalog etwas anbieten, das gefällt. Um an das Objekt der Begierde zu gelangen – in Christinas Fall war es ein Bikini – gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man fordert die Besitzerin auf, im eigenen Katalog nach einem geeigneten Tauschartikel zu suchen oder man kauft das Teil ganz regulär wie im Laden – nur zu einem wesentlich humaneren Preis. „Wenn man die Mitglieder anschreibt, um einen Handel zu vereinbaren, kommt man leicht ins Gespräch und kann auch gleich über Preise verhandeln, das gefällt mir“, erklärt Selina.

„Wir möchten dazu anregen, Kleidung zu nutzen anstatt sie zu besitzen“, fasst Sophie Utikal die Philosophie ihres Projekts zusammen. „Das Schöne ist, dass so ein Teil von bis zu zehn verschiedenen Leuten getragen werden kann.“ Was unwahrscheinlich klingt, ist es nicht. Selina kaufte sich bei Kleiderkreisel eine Lederjacke, die der Vorbesitzerin nicht mehr gefiel. Der Schülerin passte sie nicht richtig und sie gab sie weiter an eine dritte Kreislerin, die sie wiederum nach kurzer Zeit online stellte, um sie gegen etwas zu tauschen und erneut frischen Wind in den eigenen Schrank zu bringen.

Neben aktueller Mode bietet Kleiderkreisel auch eine Menge echter Raritäten. Wer die richtigen Begriffe in die Suchmaske auf der Startseite eintippt, stößt auf roten Chanel Nagellack, selbstgemachte Zuckerwatte-Ohrringe oder sogar ein Meerjungfrauen-Kostüm. Auch Brautkleider gibt es in Hülle und Fülle. Laut Sophie Utikal „der klassische Kleiderkreisel-Artikel, der nach der Hochzeit direkt im Schrank landet“. Zusätzlich zur Kleidung werden in einem Unterforum auch Schallplatten, DVDs und Bücher angeboten.

Christina und Selina nutzen die Handelsplattform vor allem als soziales Netzwerk und das Forum, in dem sich die Kreisler austauschen. Mitunter entwickelte sich hier schnell eine Eigendynamik. Ein Mädchen bot etwa den ausrangierten Exfreund zum Tausch an. Üblicherweise wird über Mode, Trends, Beziehungen, Ernährung und Do-it-yourself-Projekte diskutiert. „Ich fahre im Sommer nach Bulgarien und höre mich schon vorab bei Kleiderkreisel um. Dort bekomme ich bessere Geheimtipps und Infos zu schönen Plätzen, die man gesehen haben muss, als in jedem Reiseführer“, sagt Christina.

Geboren wurde die Idee für Kleiderkreisel auf einer Reise durch Osteuropa. Die Studentinnen Sophie Utikal und Susanne Richter trafen im Spätsommer 2008 in Litauen auf Justas Janauskas, der damals gerade eine Website entwickelte, die eine Alternative zum Wegwerfkonsum bieten wollte. Zusammen mit Martin Huber gingen die Freundinnen ein Jahr später mit der deutschen Version von Janauskas Idee online und nannten sie Kleiderkreisel.

Uber 190000 Schrankleichen online



Das Konzept geht auf, die Nutzerzahlen steigen rapide. Waren es in den ersten Monaten noch 6000 angemeldete Mitglieder, bieten jetzt schon über 190000 ihre Schrankleichen online an. In diesem Monat wurde das Millionste Kleidungsstück hochgeladen. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Macher keinen Cent in Marketing gesteckt haben. „Wir hätten niemals damit gerechnet, dass Kleiderkreisel so schnell so groß wird“, sagt Sophie Utikal, „das lief alles über Mundpropaganda.“ Was für das dreiköpfige Team als Hobby begann und von zuhause aus organisiert wurde, entwickelte sich rasch zum Vollzeit-Job. Mittlerweile ist man sogar in ein Büro umgezogen. Das Konzept könnte sogar zur Konkurrenz für jenes riesige Online-Auktionshaus werden, das bisher die Welt mit Gebrauchtwaren bereichert hat.

Über 740000 Kleidungsstücke wechselten mittlerweile den Besitzer, darunter auch Selinas Schlagjeans und bunt bedruckte T-Shirts von Christina. Beides Dinge, die die Mädchen an sich selbst nicht mehr sehen können. Sie sind überrascht, wie schnell ihre ungeliebten Sachen andere Besitzer finden. Im Fall von zwei Tenniskappen dauerte es nur wenige Tage.

Christina hat ihr aktuelles Lieblingsteil, eine braune geräumige Tasche, täglich in Gebrauch. Und Selina freut sich über ein Basketball-Trikot, das sie an ihren USA-Aufenthalt vor einem Jahr erinnert. Gekauft hat sie es über ein Mädchen, das es wiederum vom Flohmarkt hat. Man kann sich ein bisschen Kleingeld dazu verdienen, darin sind sich die 17-Jährigen einig. „Aber hauptsächlich geht es um das gute Gefühl, etwas Ungenutztes zu etwas Sinnvollem zu machen“, sagt Selina.

www.kleiderkreisel.de
 

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