Kritik am Veranstalter: "Rock im Park hat Sexismus-Problem"

30.7.2019, 08:21 Uhr
Kritik am Veranstalter:

© NN

Männer, die mit aufblasbaren Riesenpenissen übers Gelände ziehen. Eine Besuchergruppe in pinkfarbenen Warnwesten, auf denen groß "Triebtäter" steht. Frauen, die angemacht, angefasst, deren Aussehen laut kommentiert wird oder die mit K.-o.-Tropfen betäubt werden.

"Das Festival Rock im Park hat ein ausgewachsenes Sexismus-Problem", so kommentieren das neun Nürnberger Frauen-Organisationen. Auch die Frauenbeauftragte der Stadt, Hedwig Schouten, hat den offenen Brief unterschrieben, der vom Veranstalter Argo-Konzerte Gegenmaßnahmen verlangt.

Drei Anzeigen wegen sexueller Belästigung hat es Anfang Juni bei dem Großereignis am Dutzendteich gegeben. Die Realität bilde das bei weitem nicht ab, so die Kritikerinnen, zu denen unter anderem der Selbstverteidigungsverein Aura, das Nürnberger Frauen- und Mädchengesundheitszentrum sowie die Vereine Kassandra, Wildwasser und Lilith gehören.

 

"Leider normal"

Die meisten Besucherinnen scheinen Übergriffe wegzustecken und nicht mit Unterstützung zu rechnen. "Für Frauen ist das bei Großveranstaltungen leider normal", sagt Carmen Rudek von der Frauenberatung für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen. Sie hat den Brief unter der Überschrift "Sicheres Feiern für alle!" mitinitiiert — und selbst vor Jahren schlechte Erfahrungen bei Rock im Park gemacht. Rudek: "Ich gehe deshalb nicht mehr hin."

Von der Firma Argo-Konzerte, die Rock im Park veranstaltet, war trotz mehrerer Anfragen der Redaktion keine Stellungnahme zum Thema zu bekommen.

"Antisexistische Awareness"

In Gesprächen brächten Klientinnen Übergriffe bei Rock im Park "eher nebenbei" zur Sprache, sagt Carmen Rudek von der Frauenberatung. Der allgegenwärtige Alkohol, die Anonymität, die Masse von 72.000 Menschen, der allgemeine Ausnahmezustand, diese Faktoren begünstigten sexualisierte Gewalt und "Macker-Gehabe", wie es in dem offenen Brief heißt.

"Antisexistische Awareness" sei notwendig, also ein verändertes Bewusstsein. Wenn da ein Veranstalter nicht klar Position ergreife, Sexismus für alle erkennbar zum Tabu erkläre und entsprechende Angebote mache, ändere sich nichts.

Anderswo gibt es diese Angebote längst. Auf dem Münchner Oktoberfest wird jedes Jahr ein sogenannter Sicherheitspunkt eingerichtet. Das Konzept "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen" existiert schon seit 2003. Angeboten werden auf der Theresienwiese "professionelle Unterstützung und Beratung, ein sicherer Ort, um auf vertraute Personen zu warten und Hilfe bei der Organisation des Heimwegs oder Begleitung zum Taxi". Auch die Erlanger Bergkirchweih hat das Thema auf dem Schirm. Hier wurden in Sanitätsstationen sogenannte Rettungsinseln für Frauen integriert. Der dortige Frauennotruf schult und sensibilisiert das Personal. Beim Nürnberger Brückenfestival gibt es längst ein spezielles Schutzzelt, in dem Frauen Hilfe finden.

Kritik am Veranstalter:

© Foto: André De Geare

Klare Ansagen erwartet

Lediglich zwei Jahre lang war die Frauenberatung Nürnberg, die von der Kommune gefördert wird, auf dem dreitägigen Rock-im-Park-Festival präsent. Argo-Konzerte habe es leider abgelehnt, das Projekt finanziell zu unterstützen, erklärt Rudeks Kollegin Kerstin Lindsiepe. "Wir mussten im Pavillon des Jugendamts unterschlüpfen und haben uns nur als Alibi gefühlt." Heuer habe man das Engagement personell nicht mehr stemmen können.

Was genau erwarten die Kritikerinnen vom Veranstalter? Klare Ansagen vor allem. "Wer sich Frauen gegenüber danebenbenimmt, müsse "sofort rausgeworfen werden", fordert Birgit Meno Metz vom Verein Aura. Viele Frauen hätten "so die Schnauze voll vom alltäglichen Sexismus". Eine klare antisexistische Haltung der gesamten Veranstaltung müsse deutlich erkennbar sein, heißt es in dem offenen Brief.

Nach seinem Rock-im-Park-Auftritt im Juni hat diesen Part der Sänger "Drangsal" übernommen. Auf Instagram schrieb er über den Auftritt der Männer mit den "Triebtäter"-Westen: "Original das Widerlichste, das ich dieses Jahr gesehen habe." Und an die Adresse der Veranstalter: "Warum lassen eure Securitys solche ekelhaften Leute überhaupt rein?"

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