Kunst, Kitsch und Kritik im früheren «Glasscherbenviertel»

15.10.2007, 00:00 Uhr
Kunst, Kitsch und Kritik im früheren «Glasscherbenviertel»

© Sippel

Mit diesem Lob eröffnete Oberbürgermeister Ulrich Maly die 6. Gostenhofer Atelier- und Werkstatttage. 75 Künstler und Kunsthandwerker sind an den diesjährigen GOHO beteiligt und die Initiatoren möchten mit ihrem künstlerischen Engagement Zwischenmenschliches fördern. Die Besucher sollen erfahren, in welchem Zusammenhang das Erlebnis Kunst im täglichen Leben steht. Die bunte Vielfalt des künstlerischen Lebens und Schaffens im so genannten Glasscherbenviertel Gostenhof ist ein Novum in Nürnberg. Um diesen Aspekt einem breiteren Publikum vor Augen zu führen, öffnen Künstler auch dieses Jahr wieder ihre Ateliers und Werkstätten. Vier der Teilnehmer werden im Folgenden näher vorgestellt.

«The Incredible Butboy» zeigt ein Baby mit Windel auf einem großen roten Kissen, eine Figur, die wie aus einer Freakshow entstiegen scheint. Das Gemälde stammt von S. Nicole Boroski, einer 24-jährigen Amerikanerin: «In meinen Bildern setze ich mich mit politischen Dingen wie dem Irak-Krieg auseinander, doch ich liebe auch Kitsch.»

Seit 18 Monaten lebt die junge Frau in Nürnberg. Dieser Exodus kam zustande, da Boroski mit Theatermachern des hiesigen Kindertheaters «Mumpitz» in Kontakt kam. Eigentlich sei sie ja Fotografin, doch hätte sie eine Zeit lang nicht die finanziellen Ressourcen besessen, um ihre Bilder großformatig auszudrucken. Doch Farbe war im Haus, und das war die Geburtsstunde von bunten und hintersinnigen Bildern. Doch auch eine Fotoserie stellt Boroski bei den GOHO aus, für sie eine zentrale Arbeit.

Als Ausländerin musste sie einen Deutschkurs absolvieren. Die weiteren Kursteilnehmer hat sie fotografiert und diese konnten in langen Texttafeln ihre Geschichte erzählen. Die Bilder der Amerikanerin findet man im Atelier von Peter Kocher in der Bärenschanzstraße 37.

Kocher steht normalerweise für nackte Tatsachen. Als Aktfotograf hat er bereits über 40 Ausstellungen mit thematischem Leitfaden auf die Beine gestellt. Doch bei den diesjährigen GOHO präsentiert Kocher nur eine mit Ganzkörperschleier verhüllte Nackte.

«Ich bin immer zweigleisig gefahren. Diesmal hab ich der Malerei den Vorzug gegeben», so Kocher. Im Stile des Pointilismus hat der 51-Jährige mit Tusche auf Papier gezeichnet. Dies sei ein bewusster Gegenentwurf zum schnellen Computerzeitalter, denn die Fertigstellung eines Bildes nähme drei Wochen in Anspruch.

Die Hände ihrer Familienmitglieder hat Ursula Distler in einer leuchtenden Installation verarbeitet. Distler verwendet Glas: Ein Brunnen zeigt die illuminierten Köpfe ihrer Schwestern, ein anderes Objekt hat sie mit «Coppelias Auge» betitelt, der Name einer Figur aus einer Geschichte von E.T.A Hoffmann. Doch auch eine Demonstration der Perlenherstellung gibt Distler vor Ort in der Rothenburger Straße 53.

David Krugmann stammt aus St. Petersburg. Als deutsche Touristen immer häufiger sein russisches Atelier besuchten, kam der Gedanke auf, nach Deutschland überzusiedeln. Im Friseurladen «Toupet or not Toupet» in der Oberen Kanalstraße 10 zeigt er bunte Werke aus Farbe, Form und Struktur. «In meinen Bildern verwende ich Sand, Zement oder Spachtelmasse. Die Menschen sollen darin etwas neues entdecken, die Strukturharmonie ist dabei sehr wichtig.»

Die Palette der 6. GOHO beinhaltet zusätzlich Bildhauerei, unter anderem von Gisela Metz in der Bleichstraße 18. Christel Hubatsch ist Goldschmiedin und Malerin in Personalunion und in der Unteren Turnstraße 16a anzutreffen, während Berit Klasing in der Willstraße 14 Objekt- und Konzeptkunst sowie Performance präsentiert.

Der zweite Tag der Offenen Ateliers ist am Sonntag, dem 21.10., zwischen 11 Uhr und 18 Uhr.

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