Kunst und Gostenhof: "Das Flair ist noch da"

15.10.2015, 11:05 Uhr
Von der Familienbildungsstätte über das Café bis zum Secondhandladen sind über 50 Künstler und Einrichtungen zwischen Bärenschanze und Bauerngasse dabei.

© Peter Romir Von der Familienbildungsstätte über das Café bis zum Secondhandladen sind über 50 Künstler und Einrichtungen zwischen Bärenschanze und Bauerngasse dabei.

Dicht an dicht reihen sich die Punkte auf der Übersichtskarte für die zehnte Ausgabe der Gostenhofer Atelier- und Werkstatttage. Von der Familienbildungsstätte über das Café bis zum Secondhandladen sind über 50 Künstler und Einrichtungen zwischen Bärenschanze und Bauerngasse dabei. Wobei die Bauerngasse an diesem Sonntagvormittag noch im Schlummer liegt, die auf der Karte markierten Türen geschlossen. Ganz anders sieht es um das Nachbarschaftshaus aus, wo viele rote Fahnen darauf hinweisen, wer bei dem Projekt mitmacht.

Abenteuerlustige können auf eigene Faust losziehen, alternativ kann man eine der geführten Touren besuchen, die um 12 und 15 Uhr im Nachbarschaftshaus starten. Wir entscheiden uns für die „grüne“ Tour, die den Südwesten von Gostenhof erforscht. Unser Tourguide ist Fikri Karakus. Der Taxifahrer und Künstler hat selbst auch eine Werkstatt in der Fürther Straße, in der am Ende seiner Tour ein kleiner Snack wartet.

Doch zuerst geht es in die Glockendonstraße, wo sich in einem der malerischen Hinterhöfe das Atelier „8plus“ verbirgt. Sechs Künstler arbeiten hier – und das bereits seit 25 Jahren. Aber damit wird bald Schluss sein: „Unser Vermieter möchte hier schicke Lofts einrichten“, erzählt Maler Peter Klawonn. „Deshalb sind wir auf der Suche nach einem neuen Ort. Aber in dieser Größe ist das schwierig. Vermutlich werden wir das Viertel verlassen, obwohl wir uns immer sehr wohlgefühlt haben. Gerade in der Nähe des Nachbarschaftshauses, das so aktiv ist.“

Sehr kommunikativ

Kohle statt Kunst – das ist für Günter Klaußner, der auch hier malt, inzwischen typisch Gostenhof: „Die Mieten haben sich in den letzten acht Jahren fast verdoppelt. Und was den Stadtteil so attraktiv gemacht hat – die Kreativität und das Multikulturelle – das macht man damit kaputt. Wahrscheinlich werden wir uns etwas in der Südstadt suchen.“

Aber es gibt auch andere Fälle: Felicitas Berstel alias „deco.fee“ hatte früher ein Ladenatelier in Schoppershof, das ihr gekündigt wurde: „Ich hätte nach Fürth gekonnt, aber da will ich nun wirklich nicht hin“, lacht sie. Stattdessen entdeckte die Häkelkünstlerin eine kleine Hinterhof-Schreinerei in Gostenhof: „Die war hier schon seit 30 Jahren. Deswegen standen hier überall Bretter und Holzmöbel herum. Da der Besitzer aufhören wollte, wurden wir uns einig. Heute arbeiten drei Künstler hier.“ Die Stimmung in Goho findet die deco.fee weiterhin super: „Das ist ein sehr kommunikatives Viertel. Die Leute reden viel miteinander und es geht immer was zusammen.“

„Das Flair ist noch immer da“, meint auch Sabine Schuster. Die Frottage-Künstlerin hatte früher ihr Atelier in der Südstadt und teilt sich seit einem Jahr einen Kellerraum in der Denisstraße 6 mit einer Künstlerin. „Kunst und Gostenhof, das passt einfach zusammen. Gerade wenn man wie ich starke Kontraste mag.“

Auf solche setzt auch Christel Menges, die eigentlich als Lernbegleiterin arbeitet. Sie schafft in ihrem Studio Werke aus Wolle. Zu sehen sind Waldimpressionen, das gar nicht so gruselige Bild „Alptraum54“ mit gestrickten Spinnen und ein Spiegelei mit Bohnen aus Wolle. Menges freut sich, „alle zwei Jahre bei ,Goho‘ ausstellen zu können und zu zeigen, wie sich die Natur in der Kunst spiegelt – und umgekehrt“.

Ganz andere Werke findet man im Gemeindesaal der Dreieinigkeitskirche in der Müllnerstraße. Hier hängen Bilder von Gefangenen der Justizvollzugsanstalt. „Seit zwölf Jahren gibt es das Projekt, dass wir mit den Häftlingen malen“, erzählt Sozialarbeiterin Sabine Schnee. „Dabei geht es uns nicht um Therapie, sondern um einen Akt der Kommunikation. Auch Stilvorgaben gibt es keine, nur die Aufforderung, dass jedes Bild eine Aussage oder Botschaft haben soll.“

So sind die Bilder sehr unterschiedlich — von Kirchen und Papstporträts über Landschaften bis hin zu Fantasie-Szenen. Überraschend ist, dass viele Gemälde sehr hell und fröhlich wirken, zumindest auf den ersten Blick. „Das täuscht oft“, meint Schnee und zeigt auf ein Bild, das Menschen auf einer Wiese vor Alpenpanorama zeigt. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man, dass alle Personen sehr leere Gesichter haben und ihre Blicke nicht auf die Bergwelt gerichtet sind – sondern auf die Bildschirme ihrer Laptops und Smartphones.

Da ist es dann doch wieder entspannend in einen Laden wie den „bambiboom“ zu kommen. Hier verkauft Inge Klier selbst gemachte Mode aus fair gehandelten Stoffen – eine farbenfrohe und wollige Angelegenheit. Im Moment ist die Künstlerin jedoch abwesend, da sie selbst eine Goho-Tour führt. Den Laden hüten ihr Mann und Maler Ramón de Jesús Rodriquez. Er hat die leuchtenden Bilder gestaltet, welche den Laden schmücken — und die alle deutsche Namen tragen: „Zwar ist es schwerer, das richtige Gefühl auszudrücken, als in meiner Heimatsprache – aber Deutsch ist sehr schön und poetisch.“

Langsam sind alle Teilnehmer angefüllt mit Eindrücken und freuen sich auf die Rast im Atelier von Tourguide Karakus. Einige der Besucherinnen – Männer sind deutlich in der Minderzahl – sind bis aus Neumarkt gekommen, um die „Goho“ zu erleben. Dazu gibt es noch einmal Gelegenheit: Am 18. Oktober sind die Ateliers erneut von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Führungen starten um 12 und 15 Uhr im Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein-Straße 12.

 

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