Ladenhüter gibt es so gut wie keine

5.7.2018, 19:15 Uhr
Ladenhüter gibt es so gut wie keine

Ladenhüter gibt es so gut wie keine. Nur für den Kronleuchter, der schon einige Zeit in der "Give-Box" liegt, hat sich bislang noch keiner erwärmen können. Doch sonst bleibt nichts lange liegen in den Regalen der kleinen Holzhütte. Egal ob Haushaltswaren, Bücher, Kleidung oder Spielsachen. "Die Fluktuation ist sehr hoch", freut sich Viorica Kis aus dem Team, das die "Give-Box" ehrenamtlich betreut. "Ich habe selber daheim ausgemistet und innerhalb weniger Tage war alles weg", erzählt sie. Sie freut sich weniger über den aufgeräumten Keller, sondern vielmehr, dass jemand noch Verwendung für ihre Sachen hat. Vielleicht jemand, der es sich sonst nicht hätte leisten können.

Ladenhüter gibt es so gut wie keine

© Alle Fotos: Roland Fengler

Bedürftigen zu helfen und gleich-zeitig das Thema Nachhaltigkeit zu fördern, das war es, was Erika Moisan am Prinzip der "Give-Box" gefallen hat. Vor einigen Jahren war die Nürnbergerin mit ungarischen Wurzeln auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich sozial zu engagieren, und hörte von einem Berliner Paar, das seinen doppelten Hausstand mittels eines öffentlichen Schrankes verschenkte. "Ich fand die Idee schön. Jeder kennt das ja: Dinge sammeln sich an, der Keller ist voll. Und gleichzeitig musste ich an die Menschen denken, die nicht so viel haben", erzählt Moisan.

Ladenhüter gibt es so gut wie keine

© Alle Fotos: Roland Fengler

Unterstützung bei der Umsetzung bekam sie bei ihrer Gemeinde, der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, auf deren Grundstück in der Aalener Straße 5 die "Give-Box" im Oktober 2015 eröffnet wurde. Mehr als ein Jahr kümmerte sich Erika Moisan alleine um die von Gemeindemitgliedern selbst entworfene und gebaute Hütte. Sah einmal pro Woche nach dem Rechten, räumte auf und entsorgte Müll, der leider auch hin und wieder in der "Give-Box" landet. Einmal war es ein verschimmelter Kinderwagen, was Moisan fast an der Idee zweifeln ließ. "Wie können Menschen denken, dass jemand sein Kind da reinlegt?", fragt sie und ist noch heute entsetzt darüber. Mittlerweile kümmert sich ein siebenköpfiges Team um die "Give-Box" und teilt die positiven und negativen Erfahrungen, die das Projekt mit sich bringt. Beides erlebt hat fast jeder von ihnen. Viorica Kis fand sich mal mit einem großen Sofa konfrontiert, das jemand tatsächlich in die kleine Hütte gestopft hatte. "Leider schätzen manche unsere Arbeit nicht. Das ist respektlos und demotiviert manchmal schon", sagt sie.

Positive Erlebnisse überwiegen

Dennoch: Die positiven Erlebnisse würden überwiegen. "Ein Mädchen aus der Grundschule hat mir erzählt, dass sie auf dem Nachhauseweg immer in die Box geht und Bücher anschaut", berichtet Kis. Erika Moisan erinnert sich noch gern daran, wie sehr sich ein junges Pärchen über Babysachen freute, die jemand zu verschenken hatte.

Ladenhüter gibt es so gut wie keine

Menschen zu helfen, braucht immer ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl. Niemand soll sich schämen, weil er sich in der "Give-Box" bedient. Niemand muss sich anmelden, man muss auch nichts als Gegenleistung dalassen. Diese "positive Anonymität", so Manfred Dahlitz aus dem Helferteam, sei enorm wichtig. So manches Mal kommen die Ehrenamtlichen aber auch ins Gespräch mit den Menschen und werden dabei auch mit eigenen Vorurteilen konfrontiert.

Ladenhüter gibt es so gut wie keine

"Einmal hat mich ein Mann, der nicht danach aussah, gefragt, ob wir auch wissenschaftliche Bücher haben", erinnert sich Dahlitz an ein Erlebnis, das ihn nachdenklich gemacht und daran erinnert hat: "Wir beurteilen Menschen oft nach dem Aussehen." Auch hat er nicht selten beobachtet, wie schwer es manchen falle, nur etwas zu nehmen, ohne ein Teil in der "Give-Box" zu hinterlassen. Dieser Scham gegenüber steht die "Schmarotzer"-Schublade, in die arme Menschen und Hartz-IV-Empfänger schnell gesteckt werden.

Was sich das Team von Spendern wie Nutzern wünscht, ist, dass sich alle gemeinsam ein wenig verantwortlich fühlen und sorgsam mit den Dingen umgehen. Viel geholfen sei schon, wenn wirklich nur gut erhaltene und noch brauchbare Sachen hier abgegeben werden. Für alles andere gebe es schließlich den Wertstoffhof.

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