Neonazi Gerhard Ittner zu NSU-Morden verhört

12.11.2013, 07:24 Uhr
Neonazi Gerhard Ittner bei einer Kundgebung.

© Roland Fengler Neonazi Gerhard Ittner bei einer Kundgebung.

Deutschlands obersten Strafverfolgern, die auf der Suche nach möglichen Helfern sind, die das mutmaßliche Mörder-Duo Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos bei der Verbrechensserie (zehn Tote) an den einzelnen Tatorten mit Tipps unterstützt haben, ist die Nähe Ittners zur Neonazi-Szene in den Neuen Bundesländern nicht verborgen geblieben.

Der Zirndorfer Rechtsextremist, der zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth eine knapp dreijährige Haftstrafe nachholt, war im vergangenen Jahr in Portugal festgenommen und an die Bundesrepublik ausgeliefert worden. Damit ging sein sieben Jahre langes Leben im Untergrund zu Ende. Im Frühjahr 2005, während eines laufenden Gerichtsverfahrens und der sich ankündigenden Haftstrafe, tauchte er unter. Während die Polizei mit internationalem Haftbefehl nach ihm fahndete und Hinweisen nachging, die bis in den Iran reichten, lebte er in Portugal in ländlicher Idylle – mit „Pferden, Eseln, Hunden, Katzen, Ziegen, Schafen, Hühnern und Bienen“, wie er in einem Brief schreibt.

Marcus Köhler, der Sprecher der Bundesanwaltschaft, kann mit dem Namen Ittner zwar sofort etwas anfangen, bleibt aber der im NSU-Komplex gezeigten Behördenlinie treu. „Ich kann dazu leider nichts sagen“, lautet sein mageres Statement. Aber Gerhard Ittner meldet sich über seine Freundin schriftlich aus dem Bayreuther Gefängnis zu Wort.

Über seine Vernehmung bei der Generalbundesanwaltschaft, die offenbar am 10. Oktober in Karlsruhe stattfand, schreibt Ittner: „Man wollte von mir wissen, ob ich die drei Leute vom NSU kenne bzw. kannte. Ich konnte angeben, dass ich die Leute...vor dem Aufkommen dieser Geschichte noch nicht einmal dem Namen nach kannte.“ Wahr oder nicht wahr?

Tatsache ist, dass Gerd Ittner seit der Jahrtausendwende besonders aktiv im neonazistischen Netzwerk unterwegs war und als verbaler Scharfmacher bei vielen Kundgebungen in Erscheinung trat – auch in den Neuen Bundesländern, vor allem in Thüringen und Sachsen. Gern gesehener Gast war er zum Beispiel bei der Neonazi-Organisation „Thüringer Heimatschutz“, die sich später als politischer Nährboden von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt entpuppte.

Wie tief Ittner ins Umfeld der mutmaßlichen Serienmörder tatsächlich eintauchte, ist schwer einschätzbar. Dafür, dass er aber nicht nur an der Oberfläche paddelte, sprechen außer seinen öffentlichen Auftritten als Redner etliche andere Indizien.

Besonderes Interesse zeigte die Bundesanwaltschaft offenbar an seinen Kontakten zu Ralf Wohlleben, der neben Beate Zschäpe der Hauptangeklagte im laufenden Münchner NSU-Prozess ist. Seine engen und allgemein bekannten Kontakte zu dem militanten Multifunktionär der rechten Szene in Thüringen und Sachsen bei seiner Vernehmung abzustreiten, hat für Ittner keinen Sinn. „Er war Redner auf Veranstaltungen von mir, ich war Redner auf Veranstaltungen von ihm. Wir trafen uns bei politischen Angelegenheiten und damit zusammenhängenden Feiern“, gibt Ittner den Inhalt seiner Aussage bei der Bundesanwaltschaft wieder.

Für den fränkischen Neonazi steht die Integrität seines Gesinnungsgenossen Wohlleben außer Frage. Er schwärmt geradezu von dem „politisch und menschlich tadellosen Kameraden“, von dem „intelligenten, rhetorisch begabten Politiker“.

Zur Kenntnis genommen wurde im Lauf der NSU-Ermittlungen auch ein anderes Detail, das zwischen Gerhard Ittner und dem direkten NSU-Umfeld eine Verbindung herstellt. An einer von Ittner in Nürnberg organisierten Neonazi-Demo nahm auch Mandy S. aus dem Vogtland teil. Die Friseurin war es, die mit ihren Ausweispapieren Beate Zschäpe zu einer anderen Identität verhalf.

Erklärungsbedarf hat Ittner auch bei einer PR-Aktion, als er wenige Tage vor Beginn der Mordserie im September 2000 Flyer verteilte, auf denen eine „Aktion Feuersturm“ angekündigt wurde. Immerhin waren Ittners Aktivitäten vor der Mordserie und in deren weiterem Verlauf auffallend genug, um ihn zum Gegenstand des parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschusses in Bayern zu machen. Der Name Ittner taucht sogar im Fragenkatalog des Gremiums auf.

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