Nilpferd und Schuhe: Das sind die skurrilsten Gräber in St. Johannis

8.2.2020, 06:00 Uhr
Ein toller Anblick: Bei Regen badet das Nilpferd auf diesem Epitaph in St. Johannis.

© Mark Belschner Ein toller Anblick: Bei Regen badet das Nilpferd auf diesem Epitaph in St. Johannis.

Kuck nicht so, ich wäre jetzt auch lieber am Strand! Diese Grabinschrift auf dem Johannisfriedhof fällt auf – und hatte im Vorfeld für Diskussionen gesorgt. "Wir haben intern darüber gesprochen und einstimmig dafür gestimmt", erinnert sich Elfie Heider, Leiterin der Evangelisch-Lutherischen Friedhofsverwaltung, und spricht dabei von Einzelfallentscheidungen. Oft seien ungewöhnliche Inschriften für Friedhofsbesucher schwer nachvollziehbar, weil sie den Kontext nicht kennen, fährt sie fort. So handele es sich in diesem Fall um die letzten Worte der Verstorbenen.

Das ist nur ein Beispiel. Bei einem Spaziergang über den denkmalgeschützen Johannisfriedhof gibt es viel zu entdecken, wenn man Zeit und Muße hat. Auf einer Grabplatte befinden sich etwa zwei Sternzeichen: Widder und Skorpion. Eine andere ziert seit wenigen Monaten ein Schmuckkästchen, gefüllt mit allerlei Dingen im Kleinformat: ein Fußball, ein Notizbüchlein samt Bleistift, ein Schaf, der Wiener Stephansdom sowie eine Schallplatte mit der Inschrift "Wish you were here" - allesamt aus Bronze.

Dazu haben sich drei bunte Glaskugeln gesellt. Eine Auftragsarbeit mit Weitblick für zwei Nürnberger. "Jedes dieser Utensilien steht symbolhaft für etwas, was im Leben des Paares eine Rolle spielt und als gestalterisches Element im Epitaph verewigt werden sollte", erzählt der Künstler Tom Haydn.

Aus seiner Werkstatt in St. Johannis stammt auch das Epitaph eines Orthopäden. Am unteren Ende befinden sich zwei bronzene Schuhe – ein Abguss von einem echten Paar Schuhen, die vom Auftraggeber zu Lebzeiten getragen wurden. Zur weiteren Personifizierung und Individualisierung des Epitaphs tragen seine Fußabdrücke bei, die tief in die Oberfläche der Gedenktafel eingegraben sind. Sie sollen das letzte Stück Weg des Verstorbenen darstellen, die letzten Schritte, "die symbolisch übers Irdische – seinen Namen – ins Unbekannte führen", so Haydn.

Ein anderes Grab kommt erst bei Regen so richtig zur Geltung: Dann badet das kleine Flusspferd in der Bronzeplatte. Das Lieblingstier der Verstorbenen, wie ein Angehöriger zu berichten weiß. Sie hatte ehemals über 150 Miniaturen gesammelt.


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Auch gibt es auf dem historischen Friedhof zwei vermeintliche Seemannsgräber mit einem Kreuz (Glaube), Herz (Liebe) und Anker (Hoffnung) als Motiv – bezugnehmend auf den 1. Korintherbrief 13,13. "Es war Ende des 19. Jahrhunderts sehr beliebt", weiß Elfie Heider, "aber auf einem mittelfränkischen Friedhof mehr als ungewöhnlich."

All diese Gräber und weitere überraschende Details befinden sich auf dem neueren Teil des Johannisfriedhofs – also ab Ende des 19. Jahrhunderts. Tom Haydn dazu: "Sie sind ein lebendiger Ausdruck unserer jetzigen Trauerkultur." Eine Kultur, die sich nicht wandelt, sei zum Sterben verurteilt. "Die Trauer der Menschen muss stets ihren zeitgemäßen Ausdruck finden", fährt der Künstler fort. Nur so haben auch solche einzigartigen Friedhöfe eine Gegenwart und Zukunft.

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