Nürnberg als Knotenpunkt: Heroin ist auf dem Vormarsch

7.2.2019, 05:17 Uhr
Nürnberg als Knotenpunkt: Heroin ist auf dem Vormarsch

© Spencer Platt/Getty Images/AFP

Heroin ist wieder auf dem Vormarsch. Das BKA in Wiesbaden verzeichnet einen Anstieg beim Handel mit dem illegalen Stoff in Hamburg, Berlin und Frankfurt. Aber auch in München und Nürnberg nehmen Konsum und Handel zu. Im Dezember hat die Kripo Nürnberg einen Erfolg vermeldet, dass einer iranischen Bande das Handwerk gelegt wurde.

Klar ist: Der Nürnberger Hauptbahnhof hat sich seit 2016 zu einem Brennpunkt der Drogenkriminalität entwickelt. Bis heute sind über 215 Ermittlungsverfahren gegen 135 Beschuldigte aus dem Iran eingeleitet worden. Die Polizei hat Anfang 2018 eine bandenmäßige Organisation auffliegen lassen. An der Spitze stand ein 39-jähriger Asylbewerber aus dem Iran. Die Polizei beschlagnahmte zwei Kilo Heroin, 1,3 Kilogramm Opium, ein Kilo Marihuana und knapp 90.000 Euro. Die Situation in und um dem Hauptbahnhof hat sich seit dem beruhigt.

Der Fund ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, heißt es beim BKA. Pro Jahr stellt die Bundesbehörde in Deutschland zwischen 200 und 300 Kilo Heroin sicher. Doch der Bedarf an dieser Droge ist um ein Vielfaches höher, sagt Christian Hoppe, Leiter der Gruppe für die Bekämpfung der Betäubungskriminalität im BKA. "Wir gehen davon aus, dass im Innland der Straßenverkauf pro Jahr 42 Tonnen Heroin ausmacht", sagt der 56-Jährige.

Der für die Herstellung notwendige Schlafmohn wird vor allem in Afghanistan in "Rekordmengen" angebaut und geerntet, sagt der Beamte. Hoppe selbst hat die Region dort schon mehrfach besucht, um sich mit den dortigen Behörden auszutauschen. "Die meisten Labore, in denen Heroin hergestellt wird, sind im Iran, Pakistan und in der Türkei", zählt er auf. Die klassischen Handelswege führen über den Iran, die Türkei und über die Balkanroute nach Mitteleuropa. "Nürnberg ist aufgrund seiner geografischen Lage ein Knotenpunkt, hier werden auch Teile der Lieferung abgeladen. Dann geht es weiter."

Sind die Täter einmal in der EU, dann können sie nahezu ungehindert von Land zu Land fahren, so Hoppe. Das BKA ist Anfang 2017 mithilfe eines Verbindungsbeamten und der Düsseldorfer Polizei einer iranisch-kurdischen Tätergruppe auf die Schliche gekommen. Mit Spürhunden und einem mobilen Röntgengerät stellten die Er mittler Unregelmäßigkeiten in den LKW-Achsen fest und fanden in den Hohlräumen 150 Kilogramm Heroin.

"Verelendung" in den Szenen

Mit Blick auf den wachsenden Heroin-Konsum sagt Hoppe aber auch, dass es noch keine "Verelendung" in den Szenen gebe, wie seinerzeit in den 70er und 80er Jahren. Mit der Zuwanderung von Migranten wächst allerdings die Zahl der Konsumenten und der Dealer — das führt dann zu neuen Brennpunkten wie am Hauptbahnhof in Nürnberg.

Diese Entwicklung ha ben Einrichtungen für Drogenabhängige auch auf dem Schirm. "Zur klassischen Rauschgiftszene sind zusätzlich Flüchtlinge dazugekommen, darunter auffällig viele Iraner", sagt Bertram Wehner von der Nürnberger Drogenhilfe Mudra. Die Organisation hat deshalb einen neuen Streetworker, der aus dem Iran stammt, eingestellt. Außerdem beschäftigt die Mudra Ulf Siefkert, der längere Zeit im Iran gelebt hatte und Farsi spricht. "Wir wollen so versuchen, an die Szene näher heran zu kommen", so Wehner.

"Hier greifen Menschen zur Flasche, anderswo zu Opiaten"

In 90 Prozent der Todesfälle nach Drogenmissbrauch ist Heroin die Ursache. 15 Menschen sind im vergangenen Jahr in Nürnberg an einer Überdosis gestorben. Seit Jahresbeginn 2019 sind es schon zwei. So starb am vergangenen Freitag ein iranischer Staatsbürger an einer Überdosis Heroin. Der Mann wurde tot auf einem Spielplatz im Stadtsüden aufgefunden. Der Reinheitsgrad von Heroin, das im Umlauf ist, ist derzeit sehr hoch, bestätigt auch Christian Hoppe vom BKA. Damit wächst auch die Gefahr, zu viel zu erwischen

"Hier greifen Menschen zur Flasche, im Iran, Afghanistan oder Pakistan zu Opiaten. Die sind dort offiziell zwar verboten, gehören aber zur Tradition des Landes", erklärt Mudra-Streetworker Ulf Siefker. Dass manche Leute aus diesen Regionen hier dealen und selbst konsumieren, sei erklärbar. Sie müssen teils mehr als ein Jahr auf einen Asylbescheid warten. Sie dürfen nicht arbeiten und ha ben keine Perspektive. Siefker: "Und dann kommen Landsleute zu ihnen, die einen Markt für Heroin suchen und fragen: Möchtest du dir nicht ein bisschen Geld verdienen? Diese Leute gehen in Gemeinschaftsunterkünfte, die Asylbewerber sehr gefährdet."

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