Teresa Windschall privat

Nürnbergs Christkind hat kein Facebook und sammelt bunte Armbänder

19.11.2021, 05:59 Uhr
Das Christkind Teresa Windschall „ganz normal“ – vor allem die rote Mütze trägt sie im Herbst und Winter sehr gerne. Im Hintergrund wird gerade „ihr Markt“ aufgebaut.

© Michael Matejka, NNZ Das Christkind Teresa Windschall „ganz normal“ – vor allem die rote Mütze trägt sie im Herbst und Winter sehr gerne. Im Hintergrund wird gerade „ihr Markt“ aufgebaut.

Teresa Windschall sitzt in Jeans und geblümtem Pullover vor einem Glas Latte Macchiato, von dem sie an manchen Tagen ein bisschen zu viel trinkt, wie sie lachend sagt. Sie zupft an zahlreichen Armbändchen, die sie am rechten Handgelenk trägt.

Jedes einzelne davon weckt bei der 17-Jährigen eine besondere Erinnerung. „Das ist aus Istanbul, das aus Sri Lanka, das aus Sizilien, das aus Spanien. Als Christkind muss ich die natürlich abnehmen, das fiel mir ein bisschen schwer“, sagt die 17-Jährige. Einige sind Mitbringsel, andere hat sie sich im Urlaub selbst gekauft.

Eines ist von einer guten Freundin, die früher mit im Mehrfamilienhaus in St. Johannis gewohnt hat und heute in Berlin studiert. „Die besuche ich total gerne“, sagt Teresa, die viel von der Welt sehen und die verschiedensten Dinge ausprobieren will.

Teresa tanzt Ballett, sie hat aber auch schon einen Segelkurs gemacht. Sie liebt Kunst, geht aber abends auch gerne mal weg. Sie mag ihre rote Wollmütze, die sie locker über den blonden langen Haaren trägt, fühlt sich aber auch im Christkindgewand wohl.

Und wie sie da so sitzt, in einem Café am Nürnberger Hauptmarkt, und über sich erzählt, wird der ein oder andere Gast hellhörig. Immer wieder schauen Leute zum Tisch herüber. „Das ist sie“, hört man eine Frau ein paar Tische weiter gerade noch so flüstern.

„Ich finde es ganz lustig, wenn mich Menschen ansehen und ich an ihrem Gesicht sehe, wie sie sich denken ,Die kenne ich doch‘“, sagt Teresa Windschall. Seit ihrer Wahl zu Nürnbergs neuem Christkind passiert ihr das oft.

Kaum Kommentare gelesen

Unmittelbar nach der Entscheidung verbreitete sich das Bild der jungen Frau schließlich rasant im Internet. Und gerade in sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram lassen Kommentare dann bekanntlich nicht lange auf sich warten. Nachgelesen, was die Menschen über sie schreiben, hat die 17-Jährige nur ein einziges Mal.

Bei dem, was Teresa Windschall so überflogen hat, war – und das kann man durchaus als eine kleine Sensation sehen – nichts deutlich Beleidigendes dabei. „Gestört hat mich, dass manche geschrieben haben: ,Endlich wieder ein blondes Christkind‘.“

Eine Anspielung auf das Vorjahreschristkind Benigna Munsi, die sich einst wegen ihrer indischen Wurzeln rassistischer Kommentare ausgesetzt sah, ausgelöst unter anderem durch einen Beitrag des Münchener AfD-Kreisverbandes, der irgendwas von Traditionen faselte und schon fast den Untergang des Abendlandes prophezeite: „Eines Tages wird es uns wie den Indianern gehen“, hieß es in dem Post auf der Nachrichtenplattform Twitter. Eine Anspielung auf die US-amerikanische Geschichte und das Schicksal der dortigen indigenen Völker.

Scharfe Kritik kam damals auch von Spitzenpolitikern. „Hier begegnet uns die hämische Fratze des Rassismus, den die AfD als ihre Geisteshaltung immer gerne leugnen möchte“, sagte etwa Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

"Ich kann nicht verstehen, was das soll"

Auch Teresa Windschall haben die Kommentare entsetzt: „Das hat ja jeder mitbekommen vor zwei Jahren, und mich hat das damals schon furchtbar aufgeregt. Benigna war ein ganz wunderbares Christkind und ich kann nicht verstehen, was so etwas soll.“

Sie selbst will sich – ähnlich wie Benigna Munsi übrigens, die damals auf die Frage, wie sie mit derlei Kommentaren umgeht, antwortete: „Ich bin zufrieden mit mir, wie ich bin“ – nicht mit negativen Kommentaren beschäftigen.

„Wenn Menschen was Schlechtes sagen, die mich nicht kennen, blende ich das aus“, sagt sie. „Hätte jemand aus meinem Umfeld etwas Negatives über meine Wahl gesagt, hätte mich das verletzt, ja. Aber darüber hinaus bin ich mir im Klaren, dass ich nicht für alle das Christkind sein kann, das sie sich vorstellen.“

Um Äußerlichkeiten gehe es bei der Christkindrolle auch nicht, findet Teresa: „Das Wichtigste für mich ist, Liebe, Freude und Herzlichkeit zu verbreiten.“

Die 17-Jährige besucht das Gymnasium der Wilhelm-Löhe-Gesamtschule. Nicht immer habe sie Hausaufgaben und Lernen in den Vordergrund gestellt, gibt sie lachend zu. „Ich habe früher nicht so wahnsinnig viel für die Schule gemacht und bin irgendwie so durchgekommen.“

Seit Corona hat sich das geändert. Den Lockdown hat die 17-Jährige genutzt und sich über verschiedene Dinge genauer informiert. „Früher hätte ich mir vorstellen können, Archäologin oder so zu werden. Jetzt interessiert mich Medizin sehr.“

Als ganz Deutschland die Zeit überwiegend zu Hause verbringen musste, hat sich Teresa Windschall in wissenschaftliche Themen eingelesen. Genetik, Krankheiten, Heilungsmethoden. Die komplexen Themenfelder haben die 17-Jährige in ihren Bann gezogen. „Seitdem hänge ich mich in der Schule deutlich mehr rein, ich möchte Medizin studieren.“

Klausuren, Interviews und Sprechproben

Eine Bio-Klausur steht bald noch an, für die die Schülerin zwischen Interviews und Sprechproben lernen muss. Für die Adventszeit ist sie vom Unterricht freigestellt, muss dann im Januar den versäumten Stoff und Prüfungen nachholen. „Ich denke, das bekomme ich hin. Aber ja, da habe ich lange darüber nachgedacht, ob das alles klappt.“

Teresa Windschalls Traum war es seit ihrer Kindheit, einmal Nürnberger Christkind zu sein. Aber die 17-Jährige wägte die Entscheidung, ob sie sich bewerben soll oder nicht, vorher gründlich ab. Schlussendlich entschied sie sich, es zu versuchen, auch weil Freunde und Familie ihr den Rücken stärkten, sie ermunterten, es zu probieren.

Geweint vor Stolz

Dass sie es nun tatsächlich geschafft hat, macht auch ihre Eltern stolz. „Sie hat sich einen Kindheitstraum erfüllt“, sagt ihre Mutter. Und der Papa? „Meine Mama hat mir heimlich erzählt, dass er, als ich im Fernsehen war, ein bisschen geweint hat vor Stolz.“

Teresa Windschall zupft an dem violetten Armbändchen aus Istanbul. Es ist das einzige, das sie nicht abnehmen kann, wenn sie in das Christkindkostüm schlüpft, weil der Knoten schon zu fest ist. „Ach, das schiebe ich dann einfach ein bisschen nach oben“, sagt sie und lacht.

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