Mobilitätsbeschluss ausgebremst?

Nürnbergs Verkehrswende droht Verzögerung: Pläne für Einsparungen veröffentlicht

23.9.2021, 20:00 Uhr
26.000 Unterschriften hatte die Initiative "Radentscheid Nürnberg" gesammelt. Die Projekte des daraus hervorgegangenen Mobilitätsbeschlusses könnten sich nun teils verzögern.

© Stefan Hippel 26.000 Unterschriften hatte die Initiative "Radentscheid Nürnberg" gesammelt. Die Projekte des daraus hervorgegangenen Mobilitätsbeschlusses könnten sich nun teils verzögern.

Eine Vorlage für den Stadtrat am kommenden Mittwoch, 29. September, sorgt schon jetzt für Ärger. "Damit werden die Ziele des Beschlusses und die Verkehrswende in Nürnberg erneut verschleppt", schreibt die Grünen-Stadtratsfraktion in einer Mitteilung. Und fordert Oberbürgermeister Marcus König auf, den Worten Taten folgen zu lassen. Immerhin hatten 26.000 Bürgerinnen und Bürger den Radentscheid unterzeichnet.

Um was geht es? Nachdem die Initiative Radentscheid Nürnberg im vergangenen Jahr die notwendigen Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt hatte, einigten sich dessen Initiatoren mit den Stadtratsfraktionen von CSU, SPD und Grünen auf einen Mobilitätsbeschluss, den Masterplan nachhaltige Mobilität. Im Januar 2021 wurde dieser vom Stadtrat verabschiedet, ein Bürgerentscheid war damit vom Tisch. Erklärtes Ziel des Mobilitätsbeschlusses ist es, bis 2030 den sogenannten Umweltverbund zu stärken: Fußgänger, Radfahrer sowie den öffentlichen Nahverkehr.

Jetzt hat die Verwaltung auf einen Antrags der Grünen hin erstmals Zahlen zum konkreten Personal- und Geldbedarf vorgelegt - und Einsparungsvorschläge gleich mitgeliefert. Das hat einen Grund: Die Haushaltslage der Stadt Nürnberg gilt als schwierig, weswegen bereits Großprojekte wie ein neuer Konzertsaal verschoben wurden.

Personalkosten von 60 Millionen Euro

Aber der Reihe nach. Laut der Vorlage bräuchte es zur Umsetzung des Mobilitätsbeschlusses in den nächsten zehn Jahren bis zu 86 zusätzliche Stellen. Für 2022 müssten es zunächst 27 Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter sein, der meiste Bedarf wird in den Jahren 2025 und 2026 erwartet. Macht auf zehn Jahre verteilt Gesamtpersonalkosten von 60 Millionen Euro.

Hinzu kommen konsumtive Mittel, etwa für Kampagnen zur Rücksichtnahme im Verkehr, und natürlich investive Mittel, um Straßen umzubauen. Letztere werden auf 335 Millionen Euro geschätzt, wovon erwartete Fördermittel in Höhe von 60 bis 80 Prozent noch abzuziehen sind. Nicht einberechnet sind Kosten, die beispielsweise der VAG oder der kommunalen Verkehrsüberwachung entstehen.

Soweit, so geplant. Die Realität könnte aber anders aussehen: Nach Abstimmung mit der Kämmerei ist der Vorlage zufolge vorgesehen, statt den notwendigen 27 Stellen im kommenden Jahr nur 18,5 zu beantragen. Konkret soll die Zahl der zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verkehrsplanung von 13 auf 8,5 reduziert werden, während beim Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR) statt 14 nur 10 zusätzliche Anstellungen geplant sind.

Verzug bei mehreren Projekten

Die Folgen laut ebendieser Stadtratsvorlage: "Ein Verzug" nicht nur bei den Radvorrangrouten, sondern auch bei der Umsetzung von ÖPNV-Projekten wie der Straßenbahnreaktivierung durch die Pirckheimerstraße sowie dem barrierefreien Haltestellen-Ausbau. Auch der Zeitplan bei den Radabstellanlagen sei dann nicht mehr einzuhalten, genauso wie der bei den Mobilpunkten, die unter anderem dem Carsharing dienen. Der "Masterplan pünktlicher Nahverkehr" wäre ebenfalls betroffen.

"In der Gesamtschau", heißt es weiter, sei "die Reduktion der Stellenschaffungen gegenüber dem Soll-Ansatz, der fachlich geboten ist, im Licht der Haushaltlage und unter Würdigung der trotzdem dringenden Notwendigkeit der Umsetzung der Verkehrswende ein gerade noch vertretbarer Ansatz". Einzelne Projekte würden zwar verzögert, doch so werde auch "dem Gesamtzustand der städtischen Finanzen Rechnung" getragen.

"Zurechtgestutzt?"

"Der der große Wurf von einst wird nun zurechtgestutzt", lautet die Einschätzung der Grünen, die sich für die fachlich gebotene Stellenzahl aussprechen. "Wir fordern, dass diese Stellen in die Haushaltsberatungen eingebracht werden können, denn sonst wird es nichts mit der Verkehrswende und damit einer fahrrad- und fußgängerfreundlicheren Stadt“, wird Stadtrat Mike Bock zitiert.

Zudem schlägt der verkehrspolitische Sprecher die Brücke zum geplanten kreuzungsfreien Frankenschnellweg-Ausbau, an dem derzeit alleine 20 Ingenieure arbeiten würden: "Wir müssen uns aufgrund der desolaten Finanzlage der Stadt wohl fragen, was wir für unsere Stadt und kommende Generationen wollen: mehr Verkehr oder eine lebenswerte Stadt für alle.“

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