"Offen Auf AEG": Kunst soweit das Auge reicht

20.9.2018, 19:41 Uhr
Der Kunstmarathon geht weiter: Bei der "Offen Auf AEG" gibt es auch in diesem Jahr wieder viel zu entdecken.

© Eduard Weigert Der Kunstmarathon geht weiter: Bei der "Offen Auf AEG" gibt es auch in diesem Jahr wieder viel zu entdecken.

Hotspot bleibt die große Werkschau der rund 80 "Auf AEG" tätigen Künstlerinnen und Künstler in Halle 15. Nicht mehr zur Verfügung steht hingegen die Halle 20, wo Siemens künftig Förderbänder für die verschiedensten Zwecke entwickelt und testet. Ebenfalls an Siemens und die Firma Optik Eschenbach neu vermietet ist die riesige Halle 18, die allerdings auch in den Vorjahren nicht regelmäßig mit Kunst bespielt wurde.

"Im Grunde sind wir jetzt wieder bei den Dimensionen von 2010 angelangt", sagt Bertram Schultze, für die Leipziger Investitionsgesellschaft MIB, die das Gelände 2007 kaufte, als Projektentwickler im Einsatz und auch Initiator von "Offen Auf AEG". Und wie wichtig Kunst und Kultur auf dem insgesamt 165.000 Quadratmeter großen Gelände sind und bleiben, zeigt schon die druckfrisch von der MIB herausgegebene Dokumentation "Auf AEG – Creating Communities". Von der 2016 eröffneten Kulturwerkstatt bis zu den Künstlerateliers füllt die Vorstellung der Kunst- und Kulturschaffenden gut die Hälfte der über 150-Seiten-Broschüre.

130 Werke von 80 Künstlern 

Die größte Herausforderung bei "Offen Auf AEG" ist stets die Bespielung der großen Hallen beziehungsweise jetzt der verbleibenden Halle 15. Seit 2016 wird für die zentrale Werkschau ein Kurator engagiert, diesmal übernahmen Amely Deiss und Milena Mercer vom Erlanger Kunstpalais die schwierige Aufgabe, ein stimmiges Konzept für die heterogene Kunstfülle – 130 Werke von 80 Künstlern – zu entwickeln.

Sie verzichteten von vornherein auf den Versuch einer wie auch immer gearteten inhaltlichen, thematischen oder stilistischen Ordnung und folgten in erster Linie einem "ästhetischen Prinzip". So findet auf den großzügig hintereinander aufgestellten Stellwänden – auf der Vorderseite farbig, auf der Rückseite schwarz angestrichen – formal sehr Disparates zusammen. Aldona Kuts dunkel getönte Faltarbeiten aus Stoff sind kombiniert mit einem zart-bunten Großgemälde von Kerstin Schmitt. Zu Fred Zieglers zweiteiligem Wandobjekt, das einer stilisierten Hochhausfassade – einmal bei Tag, einmal bei Nacht – gleicht, gesellen sich zwei Gemälde von immerhin ähnlich leuchtender Farbigkeit. Jede Arbeit hat ihren eigenen Reiz, doch die Kombination wirkt wenig schlüssig.

Das ist das Manko der Präsentation. Aber im einzelnen kann man hier wieder jede Menge Entdeckungen machen. Zwei der spannendsten Arbeiten verbergen sich in einem schwarz verhängten kleinen Kabinett: Das Zwitterwesen von Johanna Lawrence, halb Püppchen, halb Greifvogel, ist aus Kitsch und Modeschmuck geschaffen, und hat doch etwas erhaben Unheimliches. Lisa Wieczoreks Pflanzen unter lila beleuchteten vieleckigen Glaskuben wirken wie Gewächshäuser für ferne Planeten.

Als Gesamtschau durchaus gelungen ist die Inszenierung der skulpturalen Arbeiten im hinteren Teil der Halle. Das mächtige Zentrum bilden zwei Arbeiten von Caspar und Urban Hüter aus Baulampen und schwarz lackierten Autoteilen. Die eine Arbeit schwingt sich im Halbkreis leuchtend zur Decke auf, die andere erhebt sich als monströses Alien.

Perspektive einer jungen Generation

Das Kontrastprogramm zu dieser bunten Kunstfülle findet sich im 1.Obergeschoss, wo das Leipziger Kunstzentrum "Halle 14" (nicht zu verwechseln mit der Halle 14 auf AEG) auf die DDR zurückblickt – nicht aus historischer Perspektive, sondern aus der Warte einen jungen, seit 1980 geborenen Generation. Kurator Michael Arzt, selbst Jahrgang 1977, entwickelte die Idee zu der Ausstellung angesichts von Pegida-Demonstrationen, wachsendem Ausländerhass und Gewalt. Was ist eigentlich los in diesem Land, und wie prägt die DDR-Vergangenheit die Gesellschaft weiter, wollte Arzt wissen.

Die Arbeiten der elf ausgewählten Künstler erzählen viel über eine bis heute nicht aufgearbeitete Vergangenheit und die Verunsicherungen der Gegenwart. Eine als Nachtwanderung aufgenommene Fotostory durch die Lausitz schildert die "Rückkehr des Wolfes", der hier für die Okkupation des Ostens durch den Westen steht. Eine Fotoserie begleitet das Schicksal von drei Gastarbeitern aus Mosambik in der Nachwendezeit. Die brisanteste Arbeit stellt die Lebenswege von Wendekindern gegenüber, die einen fanden in eine bürgerliche Existenz, die anderen wurden als NSU-Begründer zu Mördern.

Zurück nach Nürnberg führt die von Bernd Telle initiierte Fotoausstellung "Glimpsing" in Halle 14. Sieben Fotokünstler werfen darin erhellende Schlaglichter auf jene Stadt, die 2025 Kulturhauptstadt werden will. Und ein fast meditativer Ruheraum ist diesmal die Akademiegalerie, wo Kay Yoon eine höchst fragile Insellandschaft auf dem Boden ausgebreitet hat, begleitet vom leisen Ticken der Pendeluhren Christian Schreibers.

Programm:

22. September, 12 bis 21 Uhr, 23. September, 12 bis 19 Uhr. Muggenhofer Str. 132/135, Zufahrt auch über Fürther Str. 244/254.
Eröffnungskonzert mit King Fu, Sa., 20 Uhr, auf dem Nordareal.
Halle 15: Werkschau der "Auf AEG" tätigen Künstler; 1. Stock: "Requiem for a Failed State", Ausstellung des Zentrums für zeitgenössische Kunst Leipzig über den Blick nach 1980 Geborener auf das Ende der DDR.
Halle 14: "Glimpsing", zeitgenössische Nürnberg-Ansichten von PHOTOnuernberg.
Halle 13: "Elsewhere ist Mywhere" von Kay Yoon & Christian Schreiber.
In Halle 3 gibt die Kulturwerkstatt mit Live Musik, Peformances, Führungen, Workshops und vielem mehr Einblick in ihr Programm.
Galerie 76 (Nordareal): "Ante Flavus" von Fred Ziegler.

Die Künstler im Atelierhaus öffnen ihre Türen am Samstag von 13 bis 19 Uhr, am Sonntag bis 18 Uhr. Die Ausstellungen in Halle 15 bleiben bis 14. Oktober geöffnet (Do./Fr. 15 bis 19 Uhr, Sa./So. 13 bis 19 Uhr)

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