Pläne für Lorenzkirche: "Architektonische Todsünde" oder Chance?

31.1.2021, 05:32 Uhr
Pläne für Lorenzkirche:

© Michael Matejka/NNZ

Insgesamt 65 ausführliche, engagierte Zuschriften und E-Mails erreichten die Lokalredaktion der Nürnberger Nachrichten und der Nürnberger Zeitung nach der Stellungnahme der Stadtheimatpflegerin ("mein bisher schlimmstes Projekt"). Der überwiegende Teil besteht aus ablehnenden Äußerungen zu dem Vorhaben, doch es gibt durchaus auch einige Befürworter.

Zum Projekt: Die evangelische Kirche will den Sakralraum im Zentrum mehr für die Allgemeinheit öffnen. Künftig sollen Besucher durch den Haupteingang am Westportal eintreten, statt wie bisher durch das Seitentor.

Pläne für Lorenzkirche:

© Piktogramm: Architekten Brückner & Brückner

Damit verbunden ist ein aufwändiger Einbau eines U-förmigen, dreistöckigen Bauwerks, das in den Westteil der Kirche eingepasst werden soll: 24 Meter lang, bis zu elf Meter breit und elf Meter hoch. Dort sind unter anderem ein Stauraum für Konzertstühle und Podeste, ein Aufenthaltsraum für Kirchenführerinnen und ein Shop geplant. Für die oberen Stockwerke ist der Einbau eines Aufzugs nötig.

Anliegen der Lorenzer Pfarrerin Voigt-Grabenstein ist es, mit der Umgestaltung den mittelalterlichen Kirchenraum besser zur Wirkung zu bringen: "Wir wollen aufräumen, jetzt steht drinnen noch zu viel herum, wie zum Beispiel die Podeste."

Derzeit wird der Architektenentwurf bei den Behörden diskutiert, eine Baugenehmigung liegt noch nicht vor.

Die Öffnung des Westportals mit Blick zur Fußgängerzone wird von einigen Bürgern begrüßt ("das ist doch super!"), viele lehnen sie aber auch strikt ab. Es dauerhaft zu öffnen, damit Passanten ,einen Moment der Stille' erleben' (wie die Pfarrerin betont) , hält ein Fürther für problematisch: "Paradoxer kann man nicht argumentieren: Vor dem Portal tost das städtische Leben, dudelt die Straßenmusik, und Touristen können einfacher als bisher mit Bratwurstsemmel oder Eis in der Hand in die Kirche stolpern. Mit der Stille dürfte es dann wohl eher vorbei sein! "

Die große Sorge vieler Interessierter ist, ob mit dem modernen Einbau nicht der mittelalterliche Raumeindruck zerstört wird: "In dieses in sich stimmige mittelalterliche Bauwerk unter dem Vorwand einer Öffnung für die Bevölkerung ein modernistisches Interieur einzubauen, ist eine architektonische Todsünde und eine überflüssige Anbiederung an ein Publikum, das sich – aus welchen Gründen auch immer – zunehmend von der Kirche abwendet", merkt eine Zirndorferin an.

Man kann es aber auch anders sehen, wie ein Bewohner aus Lauf erklärt: "Immer wenn ich in die geliebte Lorenzkirche eintrete, ärgert mich der ,Verhau' am Eingang durch das Seitenportal, einer Kirche dieses Ranges unwürdig. Deshalb freue ich mich, dass die Kirche Geld in die Hand nehmen möchte, um diesen Missstand zu beenden. Wie man das gestalterisch macht, können die Nürnberger in St. Martha und St. Klara bewundern."

Doch auch zu diesen Gotteshäusern gibt es entgegengesetzte Auffassungen: "Nach der Verschandelung von St. Klara und St. Martha soll nun die Lorenzkirche als vielleicht bedeutendstes Baudenkmal unserer Stadt ihr Gesicht verlieren, welches ihr ein verantwortungsvoller und sensibler Wiederaufbau zurückgegeben hatte", führt ein Nürnberger Steinmetz aus.

Pläne für Lorenzkirche:

© Michael Matejka/NNZ

Ein Leser aus Seligenporten beschreibt eindrucksvoll, worin für ihn die Ausstrahlung der Lorenzkirche besteht: "Die gotische Kirche gewinnt ihre Erhabenheit durch den ungeteilten Raum im Hauptschiff.

Die Blickachse vom Chor zu der Rosette im Westen, die im Vergleich zur Höhe des Langhauses filigrane Skelettstruktur der Streben, das Fehlen statischer Strukturen im Innenbereich, der ungestörte Lichteinfall durch die Rosette, sind die herausragenden Merkmale eines gotischen Bauwerks in seiner immerwährenden Schönheit. Dies nun durch den Einbau einer Stahlkonstruktion zu zerstören, ist der Gipfel architektonischen und kulturhistorischen Unverständnisses. Dieses Machwerk von elf Metern Höhe ohne Eingriff in die Bausubstanz errichten zu wollen, zeugt von fehlendem Sachverstand. Sechs Millionen Euro für diese Blasphemie sind durch nichts zu rechtfertigen. "

Ganz unabhängig davon, wie man zu dem Vorhaben steht, zeigen doch die vielfältigen Reaktionen, dass die Lorenzkirche mehr ist als eine Sehenswürdigkeit zum Abhaken. Viele Bürgerinnen und Bürger sehen in dem mittelalterlichen Bauwerk etwas, das zu ihrer Kultur und zu ihrem Leben gehört. Eine Nürnbergerin fasst das Gefühl in die Worte: "Die Lorenzkirche, die über die gesamte Stadtgesellschaft und darüber hinaus identitätsstiftend und von größtem immateriellen Wert ist."

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