Prozess um S-Bahn-Schubser: Jetzt sprach der Lokführer

15.11.2019, 18:07 Uhr
Die tödliche S-Bahn-Schubserei am Frankenstadion sorgte bundesweit für Schlagzeilen.

© NEWS5 / Oßwald Die tödliche S-Bahn-Schubserei am Frankenstadion sorgte bundesweit für Schlagzeilen.

Als Luca Ballmann und Frederik Wilke am 26. Januar 2019 um 0.13 Uhr von einem Zug erfasst wurden, haben nicht nur Eltern ein Kind und Geschwister einen Bruder verloren – auch der Lokführer konnte nicht mehr schlafen; er war mehrere Monate unfähig zu arbeiten. Er sei fix und fertig gewesen, berichtet der Mann als Zeuge vor der Jugendkammer I. Aus Gründen des Jugendschutzes – die beiden Angeklagten wurden gerade erst 18 Jahre alt – wird das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Justizsprecher Friedrich Weitner ist als Zuschauer zugelassen.

Der Lokführer schildert, dass er in jener Nacht einen sehr leisen Zug, S3 mit Triebwagen der Baureihe 442, fuhr. Er habe damals viele Menschen am Bahnsteig gesehen, eine Personengruppe war in Bewegung und plötzlich fielen drei bis vier Menschen vor seinen Zug. Er leitete sofort die Notbremsung ein.

17 Sekunden bis zum Stillstand

Ein Polizist, der die Blackbox des Zuges ausgewertet hat, stellte fest, dass der Zug mit einer Geschwindigkeit von 88 km/h unterwegs war, langsamer als zulässig, erlaubt waren 120 km/h. Trotzdem war der Lokführer gegen seinen Willen gezwungen, die Jugendlichen zu töten. Einfach weil der Zug nach der Vollbremsung 233 Meter brauchte, bis er nach 17 Sekunden zum Stehen kam.

Eine Warnung vor dem Zug gab es nicht: Der Polizeibeamte schildert, dass weder auf einer der vier Anzeigetafeln ein Hinweis auf den durchfahrenden Zug zu lesen war, noch per Lautsprecher-Durchsage gewarnt wurde. Nach den Recherchen des Polizisten betreibt die Bahn Risikoanalyse und das Konzept sieht bei Großveranstaltungen – etwa wenn der Club spielt – Sicherheitsmaßnahmen vor, wie die verstärkte Präsenz von Polizisten am Bahnsteig. Die U-18-Party der Diskothek "Won", die an Wochenenden regelmäßig vor Mitternacht endet, werde dagegen nicht als Großveranstaltung behandelt.

Rechtsmediziner als Zeuge

Ausgewertet wurden auch die Videos aus dem Club "Won" – es gibt keine Sequenz, die zeigen würde, dass es zwischen den beiden Angeklagten und den beiden Getöteten bereits während der Party zu einem Streit kam. Auch der Rechtsmediziner erstattet sein Gutachten: Luca Ballmann und Frederik Wilke seien sofort gestorben, als sie vom Zug erfasst wurden. Ihr Tod sei sehr schnell eingetreten.

Im Jugendstrafverfahren hat die Erziehung Vorrang vor Sühne und Strafe. Daher wird die Jugendgerichtshilfe eingeschaltet, wenn ein unter 21-Jähriger unter Verdacht gerät und die Polizei berichtet nicht nur der Staatsanwaltschaft, sondern auch dem Jugendamt. Auch hier sind Vertreter der Jugendgerichtshilfe gefragt. Sie schildern vor allem das Umfeld und den beruflichen Werdegang der Angeklagten. Details dürfen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht öffentlich erörtert werden. Das Verfahren wird fortgesetzt, am Mittwoch wird das Urteil erwartet.