Riefenstahl prägte das Bild von Nürnberg

23.8.2011, 17:05 Uhr
Riefenstahl prägte das Bild von Nürnberg

© Friedrich Rohrmann

Entsprechend prangen auf vielen Büchern über diese Geschichtsepoche Fotos aus dem Film – und damit Bilder von Nürnberg. Und kaum eine Dokumentation zur Nazizeit verzichtet auf Ausschnitte aus „Triumph des Willens“.

Mitglieder der NSDAP hatten sich schon 1927 und 1929 zu Parteiversammlungen in der Noris getroffen. Nach der „Machtergreifung“ im Januar 1933 machte die Reichsführung der Stadtverwaltung das Angebot, die Parteitage nun grundsätzlich in Nürnberg abzuhalten. Die kommunalen Gremien nahmen das Angebot zwar ein bisschen zögerlich an, doch schließlich wurde Nürnberg zur „Stadt der Reichsparteitage“.

Im Sommer 1933 wurde zwischen Propagandaminister Joseph Goebbels und Leni Riefenstahl über einen „Hitlerfilm“ gesprochen. Die junge Berliner Schauspielerin und Regisseurin hatte bisher nur den Film „Das blaue Licht“ vollendet. Doch der soll Adolf Hitler ausgesprochen gut gefallen haben. Weil Goebbels sie darüber hinaus für eine Künstlerin hielt, die verstand, was die Nazis wollten, bekam sie von ihm den Auftrag, den „Reichsparteitag des Sieges“ im September 1933 in einem Film zu dokumentieren.

Herausgekommen ist ein Streifen, den heute kaum jemand kennt. Dabei enthält „Sieg des Glaubens“ als Fingerübung alles, was ein Jahr später in „Triumph des Willens“ perfekt inszeniert wurde. Gleich am Anfang schaut die Kamera auf das alte Nürnberg im Morgengrauen hinab. Auf der Tonspur erklingt das Vorspiel zum Dritten Akt von Richard Wagners Oper „Die Meistersinger“. In „Triumph des Willens“ ist zur selben Musik eine ganz ähnliche Nürnberg-Sequenz eingebaut: Die Stadt erwacht. „Deutschland erwache!“

Schon in „Sieg des Glaubens“ begleiten Riefenstahls Kameraleute Hitlers umjubelte Autofahrten durch Nürnbergs Straßen. In „Triumph des Willens“ sind die Sequenzen nur ausgedehnter. Genauso wie die Szenen vom Vorbeimarsch diverser Truppenverbände am „Führer“ auf dem Hauptmarkt. In „Triumph“ geht das 18 Minuten lang so zu. Dabei hat Leni Riefenstahl im zweiten Film alle Fehler des ersten vermieden. Es gibt kein zertrampeltes Gras mehr. Und Hitler fällt die Haarsträhne nicht dauernd ins Gesicht.

„Sieg des Glaubens“ ist schon von den Nazis aus dem Verkehr gezogen worden. Denn er hat neben Hitler SA-Chef Ernst Röhm als zweiten Hauptdarsteller. Den hatte Hitler ermorden lassen, bevor Leni Riefenstahl ihren zweiten Reichsparteitagsfilm drehte.

Auch „Clockwork Orange“ enthält Riefenstahl-Ausschnitte

Auch nach Kriegsende blieb „Sieg des Glaubens“ zunächst verschollen. Erst nach der „Wende“ von 1989 sind Kopien in Archiven der DDR und der UdSSR aufgetaucht. Doch auch „Triumph des Willens“ kann in Deutschland nicht nach Belieben gezeigt werden. Als Nazi-Propaganda gehört er zu den so genannten Vorbehaltsfilmen. Die dürfen dem Publikum nur mit wissenschaftlicher Einführung und Diskussionsangebot zugänglich gemacht werden.

Dennoch sind viele Sequenzen aus „Triumph“ bekannt, weil sie eben dauernd in anderen Zusammenhängen zitiert werden (z.B. in Joachim Fests Dokumentarfilm „Hitler – Eine Karriere“). Als man in Nürnberg mit der Ausstellung „Faszination und Gewalt“ im Goldenen Saal der Reichsparteitagstribüne endlich daran ging, die braune Vergangenheit offensiv aufzuarbeiten, lief dort ein Film, der Riefenstahls Ästhetik ganz erlegen war. Vielleicht war man im Doku-Zentrum deswegen zuerst zögerlich, „Triumph des Willens“ ins Programm aufzunehmen. Inzwischen wird er im Kinosaal regelmäßig bei großer Nachfrage gezeigt und besprochen.

Auch in Stanley Kubricks böser Gewaltsatire „Clockwork Orange“ gibt es Ausschnitte aus Riefenstahls Werk. Glaubwürdig wurde mir versichert, dass ein Zuschauer in einem Nürnberger Kino mit lautem Freudenruf seinen Großvater unter den Massen um Hitler entdeckt haben wollte.

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