Sprengmeister erklärt: So lief die Entschärfung der Fliegerbombe

19.9.2019, 22:29 Uhr
Rund 200 Kilogramm Sprengstoff lauern im Inneren der Fliegerbombe.

© ToMa Rund 200 Kilogramm Sprengstoff lauern im Inneren der Fliegerbombe.

Sie warteten, warteten und warteten. Für gewöhnlich, davon ging auch der Führungsstab der Rettungskräfte aus, dauert die Entschärfung einer Fliegerbombe nur Minuten. Wenige Handgriffe, die sitzen - und die Gefahr, die von Hunderten Kilogramm Sprengstoff ausgeht, ist gebannt. Am Donnerstagabend war das etwas anders. Zunächst sprach alles für einen unkomplizierten Job für das Team um Sprengmeister Michael Weiß. Der Zünder schien nicht verbogen, der Blindgänger, der bei geologischen Sondierungsarbeiten von einem Baggerfahrer entdeckt wurde, lag sicher. 

Es ist der dritte größere Bombenfund in Nürnberg in diesem Jahr. Am heikelsten war der in der Virnsberger Straße. Im Februar tauchte dort ein englischer Blindgänger mit einem gefährlichen Langzeitzünder auf. Damals entschied sich Weiß dazu, den Blindgänger zu sprengen. Die Bombe, die jetzt in Kleinreuth hinter der Veste gefunden wurde, unterscheidet sich grundlegend davon - deshalb griffen die Experten zu konventionellen Mitteln. 

"Eine Feder, die auf ein Zündhütchen schlägt"

Konkret heißt das: Die Zünder werden einfach entfernt. "Damit ist die Zündkette unterbrochen", sagt Tobias Oelsner, ein Kollege von Weiß, der an der Entschärfung beteiligt war. "Die Auslösung der Bombe funktioniert rein mechanisch, das ist eine Feder, die auf ein Zündhütchen schlägt." 


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"Die Amerikaner haben meistens eine doppelte Bezünderung", sagt Weiß. "Die schlechtere Variante für uns ist, wenn ein sogenannter Langzeitzünder verbaut ist." Diese Auslösevorrichtungen sollten im Zweiten Weltkrieg die Moral der Bevölkerung brechen. Die Detonation, so die perfide Idee hinter der Bomben, sollte Minuten, Stunden oder sogar Tage hinausgezögert werden - und so auch Menschen treffen, die bereits aus ihren Kellern und Bunkern hervorgekommen waren. Oft griffen die Allierten dabei auf chemische Zünder zurück - sie sind meistens mit einer Aceton-Ampulle gefüllt. Zerbrach das Glas, begann die Flüssigkeit ein Zelluloidplättchen zu zerfressen. Bis eine Feder auslöste und ein Metallbolzen in Richtung Sprengstoff schnellte. Explosion.

Reine Entschärfung dauert etwa eine halbe Stunde

Die Bombe vom Donnerstag aber war ein, zumindest aus Sicht des Sprengmeisters, einfacheres Modell, eines, das eben komplett ohne chemischen Zünder auskommt. "Die reine Entschärfung hat so circa eine halbe Stunde gedauert", sagt Weiß. "Den Rest haben wir gebraucht, um diese kleine und handliche Bombe in unseren Bus zu wuchten." Fotos zeigen den Experten mit seinen Kollegen, wie sie fast schon stolz vor ihrem Wagen stehen. 

Sprengmeister Michael Weiß (rechts) mit der Bombe.

Sprengmeister Michael Weiß (rechts) mit der Bombe. © ToMa

Länger als geplant habe die Beseitigung des Blindgängers nicht gedauert, auch wenn einzelne Kräfte in der Evakuierungszone etwas nervös wurden. "Wir haben im Vorfeld gesagt, dass wir so ungefähr eine halbe Stunde bis Stunde brauchen", sagt Weiß.

Aufatmen konnten um exakt 21.34 Uhr, als die Sprengmeister die Entschärfung der Bombe meldeten, auch gut 9000 Anwohner. Sie mussten am frühen Abend ihre Häuser verlassen - zu gefährlich waren die rund 200 Kilogramm sprengfähiges Material, die noch immer in dem Blindgänger steckten. Rettungsdienste fuhren Bewohner, die nicht mehr gehfähig sind, per Krankenwagen in die Friedrich-Hegel-Schule, insgesamt wurden 114 Menschen in sogenannten Sammelstellen untergebracht. Dort schlafen musste aber niemand. Unmittelbar nachdem die Stadt Entwarnung gab, wurden auch die Sperrungen aufgehoben.

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