Inhalt wird geladen

Teurer Streit um die Türme

01.03.2007, 00:00 Uhr
Teurer Streit um die Türme

© Kastner

«Eine feste Burg ist unser Gott . . .». Diesem Lied Martin Luthers folgend sollte mit einem Kirchenbau im Nürnberger Stadtteil Maxfeld dem Gedächtnis und Vermächtnis der Reformation Ausdruck verliehen werden. Dem Vorhaben folgte die Tat: Am 6. November 1938 wurde die Reformations-Gedächtnis-Kirche eingeweiht, ein Zentralbau mit drei Türmen, auf denen je der gleiche spitze Turmhelm der in Franken bei alten Dorfkirchen oft üblichen Art aufgesetzt war.

Der Bamberger Architekt Gottfried Dauner hatte den von der Stadt Nürnberg im Jahre 1934 ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Sein Gedanke war es, eine ausgesprochen «evangelische» Kirche zu schaffen: die Dreieinigkeit Gottes, die zwölf Apostel, das Wort Gottes und die - nach protestantischer Auffassung zwei - Sakramente waren Dauners bestimmende Ideen. Die Reformationsidee wird beispielshalber sinnfällig am Westportal der Kirche, das von Martin Luther und Lazarus Spengler gewissermaßen bewacht wird.

Diese neue Bastion des Glaubens währte nur kurze Zeit. In der Bombennacht des 2. Januar 1945 wurde dieser wuchtige Kirchenbau getroffen, er brannte vollständig aus. Nur die Außenmauern und die Türme, deren Helme ebenfalls zerstört waren, standen als mahnende Ruinen aufrecht da.

In nicht nur wirtschaftlich schwieriger Zeit nach 1945 gelang der Wiederaufbau des Kirchenraumes. Doch die Wiedererrichtung der drei Turmhelme war umstritten. Nicht nur die Oberste Baubehörde in München und der bayerische Landeskunstausschuss, sondern auch Pfarrer Heinrich Schick, der «Erbauer» der Kirche, waren der Auffassung, man solle die Türme flach belassen und einen 60 Meter hohen Campanile neben die Kirche bauen. Dieser Gedanke fand bei der Stadtverwaltung Nürnberg, die im dortigen neuen Messegelände einen hohen Messeturm plante, gute Resonanz, nicht aber bei dem Architekten Dauner, der sich auf sein Urheberrecht am Bau berief: «Ich werde keinesfalls dulden, dass die Formen, Proportionen und Gesimse der Türme oder der drei Turmbekrönungen geändert ausgeführt werden; auch alle anderen Eigenmächtigkeiten werde ich nicht mehr hinnehmen», schrieb er am 26. April 1956.

Der Kirchenvorstand der Maxfeldgemeinde wollte - auch der befürchteten Mehrkosten wegen - die drei Turmhelme in der alten Form wieder errichtet sehen. Die Stadtverwaltung Nürnberg dagegen favorisierte alternativ zum Campanile eine «Variierung der Turmhelme» und stellte am 26. Juni 1956 unmissverständlich klar, dass seitens der Bauverwaltung die Vorkriegsform der Turmhelme nicht mehr genehmigt werde.

Meinungen waren zu unversöhnlich

Bei der Unversöhnlichkeit der Meinungen war der Schritt zu Gericht unvermeidbar. Architekt Dauner verklagte die Evang.-Luth.-Kirchengemeinde Maxfeld vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth mit dem Antrag, den Wiederaufbau der Kirche gemäß seinen Plänen weiterzuführen und alles zu unterlassen, was mit seinem Architektenurheberrecht nicht vereinbar sei. Am 13. April 1957 wies das Landgericht die Klage ab. Das Oberlandesgericht Nürnberg bestätigte am 2. April 1957 das landgerichtliche Urteil. Beide Gerichte bejahten durchwegs das Urheberrecht des klagenden Architekten, sahen aber auch das Dilemma, dass die Kirchengemeinde wegen des Vetos der Bauverwaltung der Stadt Nürnberg die Turmhelme nicht so bauen dürfe, wie sie wollte.

Da der Kirchenbau - so das Oberlandesgericht - aber nicht nur ein reines Kunstwerk sei, sondern auch kircheneigenen Zwecken diene, könne die Abwägung der Interessen des Architekten und die der Gemeinde nur dazu führen, dass der Planung der Gemeinde - gemäß den Vorgaben der Bauverwaltung der Stadt Nürnberg - der Vorrang eingeräumt werden müsse. Den Einwand des klagenden Architekten, die Kirchengemeinde hätte sich zunächst gegen die geschilderte Haltung der Stadt vor den Verwaltungsgerichten wehren müssen, wies das Oberlandesgericht mit der Begründung ab, es sei der Gemeinde nicht zuzumuten, sich auf einen kostspieligen Verwaltungsgerichtsprozess mit ungewissem Ausgang einzulassen.

Daraufhin wurde der Bau begonnen. Schon am 3. November 1957 feierte man die Wiederaufrichtung der drei Turmhelme, ein Bau, dessen Kosten mit 185 000 Mark gegenüber den Planungen - man hatte mit 100 000 Mark kalkuliert - fast verdoppelt waren. Es hatte vieler Spender bedurft, um den Wiederaufbau zu realisieren. Die zwei nach Westen gerichteten Turmhelme haben in Höhe des Helmansatzes jetzt einen balkonförmigen Umgang mit Gittern; außerdem sind beide Turmspitzen - ähnlich denen von St. Sebald - durchbrochen.

Nur der dritte Turmhelm erinnert noch etwas an die frühere Gestaltung nach Dauners Plänen. Die Spitzen der Türme sind seither symbolträchtig gestaltet: der Nordturm schließt mit einem Schiff ab, dem Sinnbild der Gemeinde Jesu Christi in den Wogen der Zeit; die Spitze des Westturms ist mit einem Hahn bekrönt, dem Sinnbild für die Verleugnung Christi durch Petrus oder auch als Verkünder des Morgens, Symbol der Auferstehung. Der östliche Turm zeigt auf der Spitze die Taube als Symbol für Gottes heiligen Geist, der die Welt durchwehen soll.

Keine Kommentare