Musical-Aufführung

Tierische Gier

12.7.2021, 14:04 Uhr
Dunkelschwarzes Schauspiel: die „Mördermühle“.

© Hans von Draminski, NN Dunkelschwarzes Schauspiel: die „Mördermühle“.

Man kennt die (wahre) Geschichte, aus der John Knittel ein Buch namens „Via Mala“ machte, das mehrfach verfilmt wurde. Das Thema bleibt zeitlos – Gewalt in der Familie kommt in allen Epochen vor, das „Vermächtnis der Mördermühle“ ist im frühen 19. Jahrhundert verortet.

Der Müller heißt Müller und wird von Norbert Richter eindringlich und packend als prügelnder Säufer ohne jedes Moralbewusstsein porträtiert. Ein „Tier“, unter dessen Gewaltexzessen die ganze Familie leidet. Seine Frau Anna (herzzerreißend in ihrem Leiden: Karin Eichele) misshandelt er, seine Söhne Konrad (ungemein präsent: Gerhard Presl) und Johann Friedrich (authentisch: Tobias Thumann) sind für ihn nur „Flegel“ und „Dreck“, seine Töchter Kunigunda (sympathisch: Franziska Bröse) und Margarethe haben Glück, wenn sich die sexuelle Gier des Vaters auf die Nachbarsmagd und nicht auf sie konzentriert.

Was Stückautorin und Regisseurin Rebecca Brinkmann aus Margarethes Figur macht, ist pures Powerplay. Da reift eine gezwungenermaßen in kürzester Zeit vom Mädchen zur Frau, hält den erzbösen Vater so gut es geht von der Mutter fern und tröstet die Brüder. Sie ist der Kitt, der die Familie zusammenhält und verhindert, dass sie zerbricht.

Das dunkelschwarze Schauspiel, in dem auch ein entbehrungsreicher Hungerwinter und tratschende Dorfbewohner entscheidende Rollen spielen, lebt nicht zuletzt von Matthias Langes eingängiger, beinahe ohrwurmiger Musik zwischen Musicalpop und E-Musik. Solosongs und Chöre, die zu Herzen gehen, ohne kitschig zu wirken.

Es kommt, wie es kommen muss: Irgendwann ist selbst bei den geduldigen, leidensfähigen Müllerkindern der Punkt erreicht, an dem sie die Schikanen, die Gewalt und den Hass des Vaters nicht länger ertragen. Um ihn zu beseitigen, wird der Tagelöhner Johann Wagner (überzeugend als skrupelloser Ex-Soldat: Sascha Fuchs) angeheuert, der den Trunkenbold daheim erschlägt.

Den Nachbarn erzählt die Familie, der alte Müller sei mal wieder unterwegs, zum Schein wird er von seiner Frau irgendwann als vermisst gemeldet. Doch die Mordtat lässt die Beteiligten nicht los…

Als besonderen Kunstgriff hat sich Rebecca Brinkmann zwei Touristinnen mit Krimi-Fimmel (subtil humorig: Anne Mushardt und Melanie Frick) ausgedacht, die das schaurige Geschehen kommentieren und analysieren und auch die Unterschiede zwischen tatsächlichem historischen Geschehen und Roman deutlich machen. Das „Vermächtnis der Mördermühle“ nimmt emotional mit, gerade weil es unaufgeregt und ohne Hektik gespielt wird.