Was ist ein Original?

Tucher vor Gericht: Darum wird die Brauerei verklagt

2.7.2021, 16:24 Uhr
Tucher muss sich vor Gericht wegen eines seiner Biere verteidigen.

© Guenter Distler, NN Tucher muss sich vor Gericht wegen eines seiner Biere verteidigen.

Es perlt und schäumt. Es löscht den Durst und macht gute Laune. Und es glänzt in vielen Farben: Neben dem klassischen "kühlen Blonden" lieben Kenner unter anderem Weißbier, Schwarzbier, Braunbier und Rotbier – jedes mit ganz eigenen Geschmacksnoten. Gerade das rötlich schimmernde Untergärige hat sich in Nürnberg und Umgebung in den vergangenen Jahren zu einem Renner entwickelt. Immer mehr Brauereibetriebe bringen ihr eigenes Rotbier auf den Markt.

Damit knüpfen sie an eine uralte, aus dem Mittelalter stammende Tradition an. Ende des 16. Jahrhunderts soll es in Nürnberg 35 Rotbierbrauereien gegeben haben. Irgendwann war Schluss, das Rotbier verschwand in der Stadt für Jahrhunderte von der Bildfläche. 1999 entdeckte und belebte die kleine Brauerei Altstadthof mit ihrem Chef Reinhard Engel die Brautradition wieder. Längst hat sich ihr "Original Nürnberger Rotbier" zu einem Verkaufsschlager entwickelt. Bei der beliebten Themenführung "Rotes Bier in tiefen Kellern" erfahren Touristen und Einheimische etwas über die Geschichte und Herstellung der bernsteinfarbenen Spezialität aus Nürnberg.

Brauerei kritisiert die Bezeichnung Original

Seit 2019 stellt auch die Tucher Privatbrauerei, eine der größten Brauereien der Region, ein eigenes Rotbier her und bewirbt dieses ebenfalls als "Original Nürnberger Rotbier". Das gefällt Braumeister Reinhard Engel überhaupt nicht – nach seiner Auffassung hat die Art, wie Tucher sein Rotbier produziert, mit der "original" Brauweise wenig zu tun. In drei Punkten weiche Tucher von der Tradition ab, argumentiert Engel:

Erstens vermische das Unternehmen zwei verschiedene Sorten – Starkbier und Vollbier. Tucher selbst bezeichnet das als "Veredelung". Zweitens lasse der Mitbewerber sein Rotbier in wärmebehandelten Eichenholzfässern reifen. "Das ist beim Wein üblich, aber nicht beim Bier", sagt Reinhard Engel vor Gericht. Er weiß, dass Tucher-Geschäftsführer Gunther Butz aus der Winzerei-Branche kommt. Für Rotbier, sagt Engel, verwende man dagegen gepichte, also mit aus Harz gewonnenem Pech versiegelte, Fässer. So werde verhindert, dass Sauerstoff aus dem Fass entweiche. Der dritte Punkt betrifft die Mikrooxidation: Tucher setze seinem Rotbier Kohlensäure zu. Das widerspreche der Tradition, sagt Engel.

Um die regionale Spezialität Rotbier und ihre althergebrachte Herstellung zu schützen, klagt er beim Landgericht Nürnberg-Fürth gegen die Tucher Privatbrauerei. Er will vor allem erreichen, dass der große Konkurrent den Begriff "Original" streicht, wenn es um das Rotbier geht. Auch stört er sich daran, dass Tucher sein Bier als "Nürnberger" Bier bezeichnet, obwohl sich ein Großteil des Brauhauses auf Fürther Stadtgebiet befindet.

Richter stimmt der Klage-Seite zu

Der Vorsitzende Richter Jörg Eichelsdörfer macht deutlich, dass seine 4. Zivilkammer der Klagepartei zwar nicht in allen, aber doch in einigen Punkten zustimmt – vor allem, was den Begriff "Original" angeht. Sollte Tucher gezwungen werden, ihn zu streichen, stehe auch der Rückruf des Produkts und entsprechenden Werbematerials im Raum, sagt der Vorsitzende. Was er damit wohl andeuten will: Das könnte teuer werden.

Doch die beklagte Brauerei ist nicht bereit, auf den Begriff "Original" zu verzichten. Rechtsanwalt Ulf Heil, der Tucher vertritt, sagt: "Unstreitig aus dem Mittelalter überliefert sind nur die Zutaten des Rotbiers. Wir haben historische Quellen studiert, aber nicht exakt feststellen können, wie früher gebraut wurde." Und es sei doch fraglich, so Heil, ob man heute überhaupt exakt wie im Mittelalter brauen könne, ohne gegen lebensmittelrechtliche Vorgaben zu verstoßen. Am 23. Juli soll das Urteil verkündet werden.

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