Viele bereicherten sich schamlos am Besitz der Juden

8.4.2013, 06:57 Uhr
Viele bereicherten sich schamlos am Besitz der Juden

© Contino

Ohne Julius Streicher, den sich schamlos bereichernden Nürnberger Gauleiter, und die vielen Bürger und Parteigenossen, die sich gierig auf das Vermögen der Juden stürzten, hätte dieser Raubzug nicht so reibungslos und schnell funktionieren können.

Also startet die Tour gegenüber des ehemaligen NSDAP-Gauhauses in der Marienstraße; ein Sandsteinbau, der nach dem Krieg Sitz des Verlags Nürnberger Presse wurde. Selbst den Nazis seien Streichers Übergriffe zu viel geworden, so Politologin Susanne Rieger zu Beginn. 1940 wurde der Herausgeber des Stürmers entmachtet. Arisierungen wurden rückgängig gemacht, doch daran, den jüdischen Familien ihren Besitz zurückzugeben, habe kein Mensch gedacht.

Es begann kurz nach der „Reichskristallnacht“ 1938. Auch den Inhabern der Maschinenfabrik Kayser in St. Peter eröffnete ein Nazi-Funktionär nur drei Tage danach, dass die Weltfirma verkauft werden müsse. Nicht freiwillig, versteht sich, es waren angeordnete Verkäufe an ausgewählte NSDAP-Leute, zu denen Juden wie Kayser-Inhaber Heinrich Fuld gezwungen wurden.

Auf die Frage, was sei, wenn er nicht verkaufe, entgegnete der NS-Mann, wie Fuld nach Kriegsende berichtete, nur lakonisch: „Das wissen Sie selbst am besten, Herr Doktor.“ Fünf Tage später sei die Firma an ein Konsortium verkauft worden. Familie Fuld sah keinen Pfennig.

Werte seien vernichtet, Firmen- und Familientraditionen zerstört, Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt worden, darauf weist Rieger vor dem Hotel Victoria hin, wo das nach Amerika emigrierte Ehepaar Fuld logierte, wenn es wegen der Entschädigungsverhandlungen in Nürnberg war. Anders als in unzähligen anderen Fällen, in denen sich die Prozesse endlos hinzogen und an deren Ende nur eine geringe Wiedergutmachung stand, bekam Heinrich Fuld die Fabrik zurück und wurde wieder Geschäftsführer. Heute liegt an ihrer Stelle zwischen Stephan- und Peterstraße nur ein riesiger Parkplatz.

Eheringe abgegeben

Die Familie verlor auch die Villa in der Nornenstraße, die im Dezember 1938 an Georg Galster verkauft wurde. Er überließ das Haus einem Arztehepaar zum zehnfachen Preis. Im Februar 1939 mussten Juden dann Gold, Silber, Platin und Edelsteine abliefern. Fabrikant Fuld gab 534 Teile im Leihhaus am Unschlittplatz ab — eine Station der Führung —, darunter die Eheringe, ein zwölfteiliges Fischbesteck und goldene Manschettenknöpfe. Auf 12000 Reichsmark schätzten die Nazis den Wert.

Wer von der Frauentormauer zur Westseite der Celtis-Unterführung blickt, sieht den einstigen Standort der Horn- und Schildpatt-Fabrik Astruck. „Wir hatten alles“, erinnerte sich Tochter Margot Astruck. Ein Kinderfest etwa im Künstlerhaus wurde mit 120 Kindern und acht Kasperltheatern gefeiert. 1939 kam das Aus: Der Betrieb wurde arisiert, ein Jahr später kam der Konkurs, die Firma wurde gelöscht. In der Emigration blieben Margot Astruck nur ein Kamm und eine Bürste aus der väterlichen Produktion als Erinnerung.

Lastwagen voller Schutt

Auch die Astrucks wurden, so Susanne Rieger, von der Bundesrepublik nur mit einem symbolischen Betrag entschädigt. Dass ein Nürnberger Schreiner bezeugte, nach der „Kristallnacht“ acht Lastwagen voller Schutt weggeschafft und völlig zerstörte Geschäfts- und Privaträume gesehen zu haben, half der Familie im Verfahren, das erst 1953 zu einem Ende kam.

Der Mann, der Adolf Hitler im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz ansteckte, war Jude: Hugo Salomon, damals Oberstleutnant und später Juniorchef einer Büromöbelfirma in der Vorderen Sterngasse 3, wo heute ein Asia-Imbiss Essen verkauft. 1938 wurde das Geschäft arisiert, der Käufer erlöste für die Waren 12000 Reichsmark, die wie alle solche Summen auf einem Sperrkonto landeten. Den Gutmanns blieben nur 4,53 Reichsmark.

„Ausgeraubt und verschleppt, die Deportationen der jüdischen Bevölkerung aus Nürnberg“ heißt die nächste Führung am Sonntag, 5. Mai. Treffpunkt ist um 15 Uhr in der Johannisstraße 17.

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