Hinweis auf Fachkräftemangel

Vier Millionen unbezahlte Überstunden: Nürnberger Beschäftigte schenken Unternehmen Millionen

Alicia Kohl

Redakteurin

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04.11.2023, 08:09 Uhr
Durch die Arbeitszeiterfassung sollte es eigentlich keine unbezahlten Überstunden mehr geben. Das ist aber noch nicht der Fall.

© imago images / Frank Sorge, NZ Durch die Arbeitszeiterfassung sollte es eigentlich keine unbezahlten Überstunden mehr geben. Das ist aber noch nicht der Fall.

Unbezahlte Überstunden - das sollte es mit der Arbeitszeiterfassung eigentlich nicht mehr geben. Trotzdem haben im Jahr 2022 Beschäftigte in Nürnberg insgesamt 6,3 Millionen Überstunden geleistet, 4,02 Millionen davon "quasi für umsonst", wie das Pestel-Institut es in den Ergebnissen seiner Studie ausdrückt. Auf Kleine Anfrage einiger Abgeordneter aus dem Bundestag und im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hat das Institut einen "Überstunden-Monitor" für ganz Deutschland geführt.

"Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen in Nürnberg durch unbezahlte Mehrarbeit rund 57,87 Millionen Euro quasi 'geschenkt'. Und das ist schon äußerst sparsam – nämlich nur auf Mindestlohn-Basis – gerechnet", sagt Regina Schleser von der NGG Nürnberg-Fürth. In Hotels, Restaurants und Gaststätten allein haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Nürnberg 127.000 Überstunden im vergangenen Jahr abgeleistet. 52.000 davon ohne Bezahlung, wie aus der Pressemitteilung von NGG hervorgeht. Die Überstundenberge in diesem, aber auch anderen Sektoren seien auch auf den massiven Fachkräftemangel zurückzuführen, so Schleser.

Für die Studie wurden Zahlen auf Länderebene in Branchen-Durchschnittswerten auf die Städte übertragen und auf die Beschäftigungsstruktur dort angewendet, wie Matthias Günther vom Pestel-Institut erklärt. In der Gastronomie hätten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise angeschaut, wer sozialversichert und wer auf Mini-Job-Basis angestellt ist. In diesem Bereich schwinden die Fachkräfte nämlich enorm, während ein Mini-Job-Schub verzeichnet werden kann. "Die Branche versucht, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen", berichtet Geschäftsführerin Schleser der NGG Nürnberg-Fürth. 48 Prozent der Gastro-Beschäftigten in Nürnberg seien Mini-Jobberinnen und Mini-Jobber.

Weniger Überstunden als vor Corona

Schleser betont, dass vor allem die Hotellerie und Gastronomie nicht dauerhaft auf "Goodwill-Überstunden" bauen kann, sondern das Fachkräfte-Loch, das durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde, endlich gestopft werden muss. "Das klappt allerdings nur, wenn Hotels und Restaurants bereit sind, attraktive Löhne zu bezahlen." Nur so könne man junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant zu gewinnen.

Die Corona-Pandemie hat aber nicht nur für ein noch größeres Fachkräfte-Loch in der Gastronomie-Branche geführt, sondern auch dazu, dass insgesamt weniger Überstunden gemacht wurden, sagt Günther. Im Vergleich zu den Jahren vor Corona sei die Zahl gesunken. "Aber es gibt trotzdem noch eine Menge vor allem unbezahlter Überstunden. Und daran muss gearbeitet werden."

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