Vom Spiel zur Sucht: Klinikum Nürnberg will helfen

21.3.2018, 05:32 Uhr
Vom Spiel zur Sucht: Klinikum Nürnberg will helfen

© Foto: Marco Hadem/dpa

Genaue Zahlen zu diesem Suchtformen-Kreis gibt es nicht, berichtet Prof. Thomas Hillemacher, der neue Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum. Studien aus dem Jahr 2010 gehen davon aus, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung medienabhängig ist:

Allein in der Stadt würden damit etwa 5300 Menschen täglich viele Stunden vor dem Bildschirm verbringen, um gleichsam "zwanghaft" Rollenspiele zu spielen oder in sozialen Netzwerken aktiv zu sein. Fast ebenso viele Betroffene sind süchtig nach Glücksspielen, schätzen Experten. Kaufsüchtig sind sogar annähernd sechs Prozent der Bevölkerung, also 30.000 Nürnberger – mit deutlich steigender Tendenz.

Wo liegt die Grenze zwischen einer ausgeprägten Leidenschaft und Suchtverhalten? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, sagt die Psychologin Dr. Ekaterini Georgiadou, die das neue Angebot mit Psychiatrie-Chef Hillemacher erarbeitet hat. Wenn jüngere Menschen heute vielleicht zwei Stunden täglich bei Internet-Rollenspielen aktiv sind, jenseits dessen aber normale soziale Kontakte pflegen, würden Fachleute dies kaum als Suchtverhalten werten.

Anders sieht dies aus, wenn die Gedanken eines Betroffenen immer intensiver um Online-Aktivitäten kreisen, wenn die Internet-Phasen immer länger werden, wenn der Betreffende jenseits dieser Zeiten regelrechte Entzugserscheinungen erlebt. Parallel dazu nehmen berufliche und/oder familiäre Probleme massiv zu, während der Süchtige das Interesse an Freunden, Sport und anderen Freizeitaktivitäten zunehmend verliert.

Steigende Einsätze

Zu den Indizien für eine Glücksspielsucht gehören unter anderem steigende Einsätze und Entzugserscheinungen, das Verdecken von Ausmaß und Folgen des Verhaltens, das Bemühen darum, die ständigen Geldverluste wieder hereinzuholen, oder die Unfähigkeit, das eigene Spielverhalten zu beschränken. Mindestens vier dieser Merkmale müssen zusammenkommen, damit Fachleute von einer Sucht ausgehen, sagt Georgiadou.

Um eine solche Sucht zu erkennen, bedarf es häufig einer umfassenden Diagnostik. Doch in Nürnberg gebe es – im Vergleich zu anderen Städten bundesweit – bislang "unglaublich wenig Angebote" für Verhaltenssüchtige, sagt Hillemacher. In Hannover war der ausgewiesene Sucht-Experte mehrere Jahre in einer Ambulanz tätig, in der etwa jeder dritte Patient mit einer Verhaltenssucht zu kämpfen hatte. In Nürnberg möchte der neue Klinik-Chef nun in der Psychiatrischen Institutsambulanz ein Angebot für Betroffene ab 18 Jahren aufbauen, das mit einer wissenschaftlichen Begleitung einhergehen soll.

Neben der entsprechenden Diagnostik sollen Behandlungsangebote in Einzel- und Gruppensitzungen eingerichtet werden. Bei schwierigeren Fälle sind auch teil- und vollstationäre Aufenthalte möglich, so Georgiadou. Betroffene sollen unter anderem lernen, ihre eigenen Verhaltensmuster zu erkennen und zu verändern, sagt die Psychologin. Die individuelle Therapiedauer hängt von verschiedenen Faktoren ab: etwa wie lange die Erkrankung bereits besteht, wie intensiv das Suchtverhalten gelebt wird und nicht zuletzt, welche sekundären Erkrankungen – von Ängsten über Depressionen bis hin zum Missbrauch von Alkohol, Drogen und Co. – ein Betroffener bereits entwickelt hat.

Kontakt: Nord-Klinikum, Haus 19, Eingang 5 (1. OG), Telefon: 0911/398-2199   

E-Mail: psych_inst_amb@klinikum-nuernberg.de

 

 

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