Von Tariftreue bis Toleranz

9.3.2020, 19:02 Uhr
Von Tariftreue bis Toleranz

© Foto: Jan Woitas/dpa

Das Sozialbündnis Nürnberg sieht Städte und Gemeinden nicht nur bei der Schaffung von Kindertagesstätten und Jugendtreffs, bei Wasserversorgung, Müllabfuhr oder einem breiten Kulturangebot gefordert.

Der Zusammenschluss von 53 Organisationen im Großraum – von der Aids-Beratung bis zu ver.di und vom Bund Naturschutz bis zur Humanistischen Vereinigung – verlangt vor allem ein noch stärkeres Engagement zur Eindämmung von Arbeit unter Tarif, für bezahlbaren Wohnraum, für günstigen Nahverkehr und schließlich bei der Unterstützung aller zivilgesellschaftlichen Initiativen für Demokratie, Toleranz und Integration.

Zu diesen "Wahlprüfsteinen" hat das Bündnis alle Bewerberinnen und Bewerber um den Chefsessel im Rathaus – mit Ausnahme der Rechtsextremen – um Stellungnahmen gebeten. Die Antworten, die von acht Kandidatinnen und Kandidaten eingingen, decken erwartungsgemäß ein breites Spektrum ab. Als Service für alle Wählerinnen und Wähler, erst recht für vielleicht noch Unentschlossene, hat der DGB alle Positionen im Internet dokumentiert (www.sozialbuendnis-nuernberg.de).

Macht als Auftraggeber

"Manche meinen ja, Kommunen könnten zum Beispiel gegen prekäre Beschäftigung nichts ausrichten, aber das stimmt nicht. Der wichtigste Hebel ist die Vergabe von Aufträgen", sagt Stephan Doll, Geschäftsführer des DGB Mittelfranken und Sprecher des Sozialbündnisses.

Egal ob bei Bauvorhaben oder Beschaffungen, die über Ausschreibungen erfolgen, etwa für Schulen oder die Verwaltung, sollten grundsätzlich nur Firmen zum Zuge kommen, die ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen und idealerweise weitere Standards einhalten. Dabei geht es um stattliche Summen: Allein bei der Stadt Nürnberg schlagen Bauausgaben mit mehr als 400 Millionen Euro zu Buche, die Beschaffung aller möglichen Güter über Ausschreibungen mit gut 50 Millionen.

Für überfällig hält Doll ein entsprechendes Vergabegesetz: "Alle anderen Bundesländer haben schon eins, Bayern muss endlich nachziehen." Bis dahin müsse die Stadt selbst Mindestanforderungen festlegen. Während SPD und Bündnisgrüne dem ohnehin zustimmen, versprach bei einer Podiumsrunde im DGB-Haus auch der CSU-OB-Kandidat Marcus König, sich dafür in seiner Partei und bei der Staatsregierung einzusetzen.

Handfeste Verbesserungen könnten Kommunen, so auch Nürnberg, in eigener Regie auch als Trägerinnen von Kliniken umsetzen. Denn hier (wie andernorts) wurden die rund 800 Beschäftigten in Küche, Wäscherei, Näherei und weiteren Diensten als Angestellten einer eigenen Service-Gesellschaft ausgegliedert. Zwar gibt es für sie einen Tarifvertrag – aber der sieht Löhne vor, die 300 bis gut 900 Euro unter dem Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst liegen – pro Monat, und das bei ohnehin eher bescheiden vergüteten Tätigkeiten. "Diese Gerechtigkeitslücke muss schleunigst geschlossen werden", verlangt der DGB-Chef mit Rückendeckung aus dem Sozialbündnis, "das geht durchaus, so hat zum Beispiel Fürth die Servicedienste in den TVöD zurückgeholt."

Auch bei der Erhaltung und Schaffung von erschwinglichem Wohnraum könnten die Kommunen noch "nachlegen", unterstreicht Gunther Geiler, der Geschäftsführer des Nürnberger Mietervereins. Möglichst viele Neubauten hochzuziehen, reiche nicht aus. "Es geht um ein grundsätzlich anderes Verständnis von öffentlicher Verantwortung für preiswerten Wohnraum." Erst recht, weil die Mietpreise im Großraum überdurchschnittlich steil klettern.

Die Folge: Immer mehr Haushalten bleibt nach Abzug der Mietausgaben kaum mehr oder gar weniger als der Hartz-IV-Satz. "Bei den Wohnausgaben kann sich niemand einschränken, also werden woanders Abstriche gemacht, auch an eigentlich unerlässlichen Aufwendungen wie etwa für die Altersvorsorge." Zu den kommunalen "Hausaufgaben" gehörten deshalb konsequentes Einschreiten gegen Zweckentfremdung und mehr Druck zur Bebauung mangelhaft genutzter Grundstücke.

Auch bei weiteren zentralen Themen wie etwa dem Klimaschutz und der Mobilität pocht das Bündnis auf die Berücksichtigung der sozialen Belange – das gelte für Kandidaten, aber eben auch für die Wähler.

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