Vorgestellt: Die Pianistin Rebecca Maurer

13.7.2009, 00:00 Uhr
Vorgestellt: Die Pianistin Rebecca Maurer

© Niklas

Dementsprechend steht ein, wie sie sagt, «typisches Mozartinstrument» bei ihr zu Hause: der Nachbau eines Hammerflügels von Anton Walter aus dem Jahr 1791. Daneben nennt sie noch ein Cembalo ihr eigen, dessen Original aus der Antwerpener Instrumentenbau-Dynastie Ruckers stammt und im elsässischen Colmar im Museum aufbewahrt wird.

Auch bei ihrer Behausung bevorzugt Maurer die historische Substanz: Seit 2006 wohnt sie im ersten Stock jenes alten Hopfenbaugehöfts in Dehnberg, das Wolfgang Riedelbauch in den 70er Jahren zum Dehnberger Hoftheater um- und ausgebaut hat. Die Räumlichkeiten seien so groß, dass man sich nicht in die Quere komme, lobt Maurer die Vorzüge ihrer Wohnung: «Ich kann auch mal bis fünf Uhr morgens üben.» Niemand fühle sich dadurch gestört, und die 18 Jahre alte Katze Emma, die ihr dabei oft Gesellschaft leistet, ist taub – aus Altersgründen, nicht etwa, weil sie eine Überdosis Musik abbekommen hat.

«Wichtig ist auch, dass ich im Treppenhaus 2,40 Meter um die Ecke kriege», sagt Maurer und meint damit die Abmessungen ihrer beiden Instrumente, die keineswegs ein beschauliches Wohnungs-Dasein führen, sondern immer wieder raus müssen, auf die Straße, um zum nächsten Auftritt zu kommen.

«Meine zwei Porsches» nennt sie die Geräte liebevoll – was als Kosenamen passt, weil Maurer mit Hammerklavier oder Cembalo viel reist, um zu ihren Konzerten zu kommen. Ein Sportwagen tut es allerdings nicht, wenn man solch ein empfindliches und wertvolles Instrument im Gepäck hat. Maurer transportiert ihr anspruchsvolles Arbeitsgerät in einem Kombi aus französischer Produktion, zum Glück helfen ihr beim Beladen gerne mal die Bühnenarbeiter des Hoftheaters. Diese Mobilität erleichtert ihre Auftritte, die seit Januar eine Würzburger Agentur für Alte Musik organisiert, erheblich. «Für viele Konzerte muss ich eines meiner Instrumente mitbringen», sagt sie, «denn in welchem Saal steht schon ein Hammerflügel oder ein Cembalo?»

Ob mit oder ohne schwerem und empfindlichem Gepäck: Im Jubiläumsjahr von Joseph Haydn (200. Todestag) brummt das Geschäft für sie als Expertin historischer Aufführungspraxis. Nicht für jedes Projekt wird der Kombi als Schneckenhaus auf vier Rädern benötigt. Beim Kissinger Sommer spielt sie zusammen mit dem SWR-Sinfonieorchester unter Dirigent Roger Norrington den Fortepiano-Continuopart bei zwei von Haydns Londoner Sinfonien; in Stuttgart im September ist sie dann sogar bei allen zwölf Londoner Sinfonien des Komponisten gefordert.

Bei einem anderen Projekt gilt es, den passenden Raum für die Aufnahme mit einem historischen Instrument zu finden: Im Herbst will sie für den ORF Werke von Mozart und Haydn auf einem Original-Hammerflügel der Werkstatt Rosenberger aus dem Jahr 1795 einspielen. Das Instrument stand schon mal im Deutschen Museum in München, wo es Rebecca Maurer nach einer umfassenden Restaurierung im Jahr 2006 wieder einweihen durfte. Nun befindet es sich in Privatbesitz in Wolfratshausen, doch da passt die Akustik nicht. Maurer wollte die Aufnahme im Kloster Benediktbeuern machen, aber nun hat sie doch eine Absage bekommen: «Die Mönche fühlen sich von der Musik in ihrer Ruhe gestört.»

Nicht jeder hat also Verständnis für die besondere Leidenschaft, mit der Liebhaber der Alten Musik sich Kompositionen aus vergangenen Jahrhunderten widmen. Rebecca Maurer dagegen liebt es, darüber zu forschen, in welcher seiner Londoner Sinfonien Haydn nicht mehr für das Cembalo, sondern für das damals brandneue Fortepiano komponiert hat. Oder sie widmet sich mit detektivischer Energie der Frage, wann Mozart welche Sonate geschrieben hat; da geben die Wasserzeichen des Notenpapiers oft genauere Auskunft als das altehrwürdige Köchelverzeichnis.

Kommunikativ wie sie ist, spricht sie gerne und profund über ihre Erkenntnisse. Seit dem Jahr 2000 hat sie eine eigene Reihe mit Gesprächskonzerten im Germanischen Nationalmuseum, ringt auch wie ein weiblicher Don Quichote darum, diese zu erweitern. Die Konzerte sind für Maurer ideal, da kann sie die spielbaren Hammerklaviere und Cembali der berühmten Historischen Instrumentensammlung vorführen. Im November gibt sie an der Musikhochschule Wien eine Meisterklasse für Cembalo und Hammerklavier, für eine neue Edition von Haydn-Sonaten schreibt sie das Vorwort und erstellt die Fingersätze, von beiden Projekten sagt Maurer zu Recht: «Das ist der Ritterschlag.»

Daneben arbeitet sie gern journalistisch. Als freie Autorin macht sie für verschiedene Rundfunkstationen Sendungen über Alte Musik, nicht immer findet sie da die Worte so leicht, wie die Finger über die Tasten ihrer Instrumente fliegen: «Ich nehme mir dann zum Wandern das Diktiergerät mit. Damit ich es festhalten kann, wenn mir unterwegs etwas einfällt.»

Die Musikerin ist froh über ihre vielfältigen Aktivitäten. Dank der Abwechslung und dank der Tatsache, dass sie mindestens 150 Tage im Jahr auf Reisen ist, bleibt nicht allzu viel Zeit für das eigentliche Üben am Instrument. Das mag die Dehnberger Hofkatze schade finden, nicht jedoch Maurer: «Ich war noch nie der Vielüber», sagt sie, deren Laufbahn sich eher wie eine spannende Kombination aus Vorbestimmung, Talent und Improvisation liest, denn als Chronik verbissener Zielstrebigkeit.

Angefangen hat alles mit einem hellblauen Cembalo: Maurer entdeckte es auf einem Cover der Plattensammlung ihrer Mutter, Gustav Leonhardt, der «Urvater aller Cembalisten» spielte darauf Bachs Tripelkonzert. Gerade mal zwei Jahre war die im Jahr 1969 Geborene damals alt, mit neun Jahren eröffnete sie in der Sparkassenzweigstelle im Stadtteil Reichelsdorfer Keller mit fünf Mark ein Sparbuch. «Ich spare auf ein Cembalo», sagte sie damals dem Bankangestellten; von ihrem Willen sollte sie sich nicht wieder abbringen lassen: «Mit 25 habe ich mir von diesem Geld tatsächlich ein Cembalo gekauft.»

Allerdings nicht das hellblaue. Das entdeckte sie, als sie in Amsterdam bei Bob van Asperen Unterricht nahm. «Die erste Stunde war bei ihm zu Hause, er öffnete die Tür – und da stand das hellblaue Cembalo aus meinen Kindheitserinnerungen.»

Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ein schon als Jugendliche begonnenes Studium bei Erich Appel am Nürnberger Meistersingerkonservatorium und – nach dem Abitur – bei Michael Behringer (Cembalo) und bei Karl Betz (Klavier) in Freiburg hinter sich. In der Stadt im Breisgau lernte sie auch die Mozart-Spezialisten Robert Levin und Ulrich Konrad sowie den Alte-Musik-Experten Reinhard Goebel kennen: Der Pfad weg vom modernen Flügel hin zur historischen Aufführungspraxis war eingeschlagen, wurde in Amsterdam vertieft und mit einem zweijährigen Stipendium an der Cornell University in Ithaca im US-Bundesstaat New York gekrönt.

Seit 1999 ist Maurer wieder in Deutschland, vertrat zwischenzeitlich schon mal die Cembalo-Professur an der Stuttgarter Musikhochschule, und lässt es sich weiterhin nicht nehmen, ihre Aktivitäten vielseitig zu streuen. Gerade hat sie eine CD mit dem Cembalo-Gesamtwerk des in Neapel wirkenden blinden Komponisten und Organisten Antonio Valente (etwa 1520–1580) herausgebracht. Dabei kann man nicht nur dessen kaum bekannte Musik kennenlernen, sondern im Beiheft auch einiges über die Lebensumstände im Neapel des 16. Jahrhunderts erfahren – etwa, dass die heute als Volksspeise begehrten Makkaroni damals nur den Reichen und Privilegierten vorbehalten waren.

Rebecca Maurers Aktivitäten sprechen eben alle Sinne an – und damit all jene, die empfänglich genug sind für die besonderen Klangfarben, die sich historischen Cembali und Hammerklavieren entlocken lassen.

Aktuelle CD: Antonio Valente, «Intavolatura de Cimbalo». Rebecca Maurer, Cembalo. Christophorus, Vertrieb Note 1.

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