Was macht einen guten Lehrer aus? Das sagen die Schüler

11.3.2018, 14:36 Uhr
Was macht einen guten Lehrer aus? Das sagen die Schüler

© Fotos: Günter Distler

In einem moderierten Gespräch mit seinen Schülern geht der 42-Jährige der Frage nach, was einen guten Lehrer auszeichnet, und erklärt, was Distanzlosigkeit damit zu tun hat. Mit dabei sind Johanna aus der fünften, Giuseppe aus der siebten, Vanessa aus der zehnten und Marlo aus der elften Klasse.

NZ: Was hat Herr Niklas, was andere Lehrer nicht haben?

Vanessa: Er gestaltet den Unterricht anschaulich, nutzt viele Medien. Den Stoff bereitet er so auf, dass wir uns eine Meinung bilden. Wir haben einen persönlichen Draht zu ihm.

Marlo: Der Unterricht ist nur so spannend, wie er präsentiert wird. Die Persönlichkeit des Lehrers ist extrem wichtig, einfach wie er drauf ist. Ich muss ihm ja stundenlang zuhören. Herr Niklas erklärt den Stoff auf eine lockere Art. Er schafft es, dass wir zuhören und motiviert sind. Anders ist das, wenn eine Schlaftablette vorne steht.

Herr Niklas: Wenn die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht, dann weiß ich, dass ich auch mal neue Dinge im Unterricht ausprobieren kann.

NZ: Abwechslung ist also das Wichtigste für guten Unterricht?!

Giuseppe: Ja. Wenn wir immer dasselbe machen, ist das nicht so toll. Ich habe ein Fach, wo wir immer nur in Büchern lesen und etwas dazu aufschreiben. Das ist langweilig.

Johanna: Lehrer sollten auch gut erklären können – und nett sein.

Was macht einen guten Lehrer aus? Das sagen die Schüler

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Vanessa: Ich bin zufrieden, wie es an unserer Schule läuft. Wir haben zum Beispiel moderne Smartboards. Ob und wie die eingesetzt werden, hängt vom Lehrer ab. Und von der Klasse. Je nachdem, wie die Schüler drauf sind, suchen sich die Lehrer ja ihre Lehrmethoden aus.

Herr Niklas: Stimmt. Dass ich den Preis gewonnen habe, sagt nicht aus, dass ich ein besonders guter Lehrer bin. Sondern nur, dass die Kombination zwischen mir und der Klasse passt. Die Schüler haben mir guten Unterricht ermöglicht. Es gibt natürlich Klassen und Phasen, wo der beste Lehrer scheitert. Wenn die Klasse es zulässt, kann ich viel probieren. Wenn ich viel probiere, kann ich kreativ sein. Wenn ich kreativ bin, komme ich besser an. Dann nehmen die Schüler mehr mit.

 

NZ: Was ist, wenn die Kombination nicht so gut passt?

Giuseppe: Meine Klasse ist nicht gerade die leichteste. Oder, Herr Niklas? Sie hatten uns zwei Jahre.

Herr Niklas: Ja, ihr wart eine Herausforderung. In der Klasse sind viele Individualisten - was ich nicht negativ meine. Diese Schüler haben nur ihre eigene Vorstellung von Schule.

Giuseppe: Aber Sie waren einer der wenigen, der es geschafft hat, uns ruhig zu kriegen. Weil der Unterricht interessant war. Es hat sich gelohnt, leise zu sein.

Herr Niklas: Trotzdem musste ich manchmal hart durchgreifen und laut werden. Es läuft auch bei mir nicht immer alles glatt.

Was macht einen guten Lehrer aus? Das sagen die Schüler

© Günter Distler

Marlo: Jetzt reden Sie sich aber schlecht, Herr Niklas. Das müssen Sie gar nicht.

Herr Niklas: Einen guten Lehrer macht Selbstkritik aus. Sonst kann ich nicht besser werden. Da bin ich vielleicht perfektionistisch.

Vanessa: Auf den Tisch hauen muss doch jeder Lehrer, das geht nicht anders. Schüler haben auch mal laute Tage, wir können nicht immer konzentriert sein.

NZ: Jetzt mal ehrlich: Das hier ist ein Gymnasium. Wie schlimm können die Schüler schon sein?

Herr Niklas: Wegen der Lage an der Bärenschanze treffen hier konfliktträchtige Kombinationen von Schülern aufeinander.

Giuseppe: An der Mittelschule kloppen die sich öfter. Das weiß ich von Freunden. Wir regeln das mit Worten.

Herr Niklas: Es kommt selten vor, dass sich hier jemand prügelt. Dafür ist Cybermobbing an Gymnasien eher ein Thema. Eben weil die Schüler versuchen, Konflikte mit Worten zu lösen – wenn dann auch hinterrücks. Gerade die Unterstufe nutzt soziale Netzwerke unreflektiert. Da fallen Worte, die die Schüler so niemandem ins Gesicht sagen würden. Wenn das noch verbreitet wird, eskaliert das schnell. So dreimal kommt das im Jahr vor.

NZ: Unterscheiden sich die Ansprüche an Lehrer und Unterricht von Jahrgang zu Jahrgang?

Marlo: Auf jeden Fall. Ich habe noch ein Jahr bis zum Abitur. Dass ich den Stoff für die Abschlussprüfungen brauche, habe ich ständig im Hinterkopf. Lücken dürfen keine entstehen. Deshalb spielt der Lehrer eine noch wichtigere Rolle. Geht er nicht nach dem Lehrplan, wird es schwierig für mich. Weil ich dann alles selbst nachholen muss. Es ist auch nicht förderlich, wenn der Lehrer uns vermittelt, dass er eigentlich gar nicht hier sein will, sobald er die Türschwelle betritt. Herr Niklas aber ist immer gut gelaunt.

NZ: Wie schaffen Sie das?

Herr Niklas: Durch viel Selbstmotivation. Klar bin ich früh auch müde. Dennoch versuche ich ganz bewusst mit einer positiven Stimmung in den Unterricht reinzugehen. Das beginnt schon auf dem Weg zwischen Lehrer- und Klassenzimmer: Ich begegne dabei vielen Schülern auf dem Gang. Grüße ich sie, kommt meist ein Grinsen zurück – und dann muss auch ich grinsen. Das macht viel aus.

Vanessa: Stimmt. Der Umgang miteinander ist dann viel freundlicher.

Herr Niklas: Genau! Von wegen Lehrer sollen ihren Schülern bloß nicht zu nahe kommen. Die Regel, dass zwischen Lehrer und Schüler immer professionelle Distanz zu herrschen habe, ist völliger Humbug.

NZ: Können Lehrer wirklich Freund sein?

Giuseppe: Das ist auf jeden Fall besser, als sich gegenseitig als Feind zu sehen. Verfeindet mit seinem Lehrer will niemand sein. Es geht um Noten.

Was macht einen guten Lehrer aus? Das sagen die Schüler

© Günter Distler

Marlo: Ist doch gut, wenn wir miteinander rumspaßen können. Ich verbringe schließlich viel Zeit in der Schule.

Vanessa: Vor allem, wenn es auf das Abitur zugeht. Unter den Jüngeren ist es eher so, dass sie den Lehrer als Feind betrachten. Da ist die Distanz zueinander noch größer und der Lehrer wird als Autoritätsperson angesehen.

Johanna: Ich bin noch nicht so lange an dieser Schule. Für mich ist es ungewohnt, dass ich so viele Lehrer habe. An der Grundschule hatte ich nur einen, den Klassenlehrer. Trotzdem habe ich schnell gemerkt, welche Lehrer ich mag – und bei welchen ich mir wünsche, dass sie lieber vertreten werden.

NZ: Wollen Sie denn ein Freund sein, Herr Niklas?

Herr Niklas: Dafür bin doch viel zu alt. Natürlich will ich nicht deren Freund sein! Ich finde nur, dass diese propagierte professionelle Distanz Schwachsinn ist. Ich möchte meinen Schülern mal auf die Schulter klopfen dürfen. Klar, dass ich einer Schülerin nicht den Oberschenkel tätscheln darf. Das dürfte jedem klar sein in der heutigen Zeit. Aber ich will auch mal ein bisschen distanzloser sein dürfen. Auf eine professionelle Art und Weise muss das doch möglich sein. Es gibt Möglichkeiten, die Grenzen auszudehnen, ohne sie zu überschreiten.

Letzte Woche hat sich zum Beispiel jemand an mich als Vertrauenslehrer gewandt, der Liebeskummer hatte. Da kann ich doch nicht sagen: "Uff, darüber darf ich mit dir aber nicht sprechen. Das ist mir jetzt zu intim." Ich habe dann zugehört, Ratschläge gegeben. Das sind Dinge, die ein Freund auch tut.

NZ: Gab es Situationen, in denen ein Schüler Ihnen zu wenig Distanz oder Respekt entgegengebracht hat?

Herr Niklas: Nein. Wahrscheinlich hat das mit meiner Größe und meinem Geschlecht zu tun. Ich glaube, Lehrerinnen haben dieses Problem häufiger. Meine Frau, die auch Lehrerin ist, hat das öfter erlebt. Etwa, dass ein Schüler patzig ist.

Vanessa: Schüler testen ihre Grenzen aus. Da nehmen sie die Lehrerin, die kleiner ist, vielleicht mal nicht ganz so ernst wie das Gegenteil davon.

NZ: Apropos Strafe. Was haltet ihr davon?

Vanessa: Meistens lässt sich das auch anders klären. Wenn bei uns jemand seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, muss er schon mal einen Kuchen backen. Oder in Deutsch eine Kurzgeschichte schreiben. Da kommt wenigstens etwas Produktives raus.

Was macht einen guten Lehrer aus? Das sagen die Schüler

Johanna: Eine Lehrerin von mir hat eine Lärmampel, die anzeigt, wenn die Klasse zu laut ist. Wird die Ampel rot, dann gibt es einen Hinweis.

Marlo: Ich habe schon ein paar Verweise angesammelt. Wie viele genau, möchte ich hier lieber nicht sagen. Der Verweis hat seine Ernsthaftigkeit komplett verloren – weil er manchmal grundlos vergeben wird. Das ist doch kein richtiges Mittel zur Bestrafung mehr.

Herr Niklas: Ja, bestimmte Strafen haben ihre Wirkung tatsächlich verloren.

NZ: Wie lässt sich da gegensteuern?

Marlo: Ich erinnere mich, dass ich Herrn Niklas in der Fünften in Deutsch hatte. Er wollte, dass wir unsere Federmäppchen und Unterlagen sauber auf dem Tisch bereitliegen haben, sobald er den Raum betrat. Wenn wir das alle wirklich jede Stunde durchhielten, versprach er uns am Ende des Jahres einen Film. Das motivierte uns alle: Jede Stunde hatten wir unsere ganzen Sachen dann schon draußen.

Herr Niklas: Das klappt jetzt in der Elften nicht mehr, da hat keiner mehr ein Buch dabei...

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