Wegen Delfinarium: Sperrt Tripadvisor Nürnberger Tiergarten aus?

19.12.2019, 15:32 Uhr
Wegen Delfinarium: Sperrt Tripadvisor Nürnberger Tiergarten aus?

© Berny Meyer

Am 5. Dezember, einen Tag vor Nikolaus, trudelte eine Mail im Nürnberger Tiergarten ein. Der Absender: Tripadvisor, genauer: "TripAdvisor Animal Welfare". Die Online-Bewertungsplattform, die über ihr Portal auch Tickets vertreibt, hat den Tierschutz für sich entdeckt. Erst kürzlich stoppte der US-Anbieter den Verkauf von Karten für Seaworld, weil dort unter anderem Orcas in Gefangenschaft gehalten werden. "Wale und Delfine entwickeln sich in Gefangenschaft nicht", sagte Dermot Halpin von Tripadvisor einem Fachmagazin, "und wir hoffen auf eine Zukunft, in der sie leben, wie sie sollten – frei und in der Wildnis".

Der Seaworld-Bann war offenbar nur der Auftakt für eine Welle von Verkaufssperren auf der ganzen Welt. Auch der Nürnberger Tiergarten geriet Anfang Dezember ins Visier von Tripadvisor. "Wir haben Tiergarten Nuremberg als eine Einrichtung identifiert, in der Waltiere öffentlich zu Schau (sic!) gestellt werden", heißt es dort. "Daher bemühen wir uns, festzustellen, ob ihre Einrichtung für den Ausnahmestatus in Frage kommt."

 

 

Mit dem Status behält sich Tripadvisor offenbar ein Hintertürchen offen, will etwa Forschungseinrichtungen oder Zoos, die spezielle Anforderungen erfüllen, im Programm halten. Bis zum 20. Dezember habe der Tiergarten Zeit, um Nachweise zu liefern, heißt es in der Mail. Konkret müsse der Nürnberger Zoo etwa die Zucht von Waltieren beenden und die Einfuhr von in Gefangenschaft gehaltenen Delfinen unterbinden. 

Jetzt hat der Tiergarten reagiert. In einem offenen Brief schreibt der Direktor, Dag Encke, trotzig: 

"In Ihren Tierschutzrichtlinien berufen Sie sich auf "wissenschaftliche Beweise", dass die Haltung von Delphinen tierschutzwidrig sei. Tierschutzwidrigkeit muss anhand konkreter Haltungsbedingungen und konkret betroffener Tiere nachgewiesen werden. Das hierfür notwendige Werkzeug 'Animal Welfare Assessment' ist eine wissenschaftliche Disziplin. Zur Beurteilung des 'Animal Welfare Status“, also des individuellen Wohlergehens von Delphinen, bedarf es methodisch einwandfreier wissenschaftlicher Methoden, die in jedem Einzelfall anzuwenden sind. Ihrer Ablehnung unserer Tierhaltung fehlt jeder Bezug auf ein konkretes "Welfare Assessment". Sie erwähnen nicht einmal, welcher Methode des Assessments Sie sich für Ihre Bewertung bedienten.

Eine pauschale Diskreditierung der Haltung von Delphinen in meiner Zoologischen Einrichtung halte ich aus wissenschaftlicher Sicht für unseriösen Populismus."

Der Direktor des Nürnberger Tiergarten stellt in dem Schreiben auch klar: Man stelle keinen Antrag auf einen Ausnahmestatus bei Tripadvisor, sondern lehne die Forderungen aus fachlichen Gründen ab. "Ihr Schreiben kommt zur Unzeit und zeugt von großer Ignoranz in Bezug auf Handlungsoptionen", so Encke. In dem Offenen Brief widerlegt der Tiergarten sechs Behauptungen, die nach Ansicht der Verantwortlichen schlichtweg falsch oder unsachlich seien (klicken Sie hier)

"Aus meiner Sicht spielen Sie In Ihrem schlecht recherchierten und potentiell tierschädlichen Forderungsschreiben ein ungutes Spiel mit der Popularität moralisierenden Tierschutzes, mit dem Sie dem Schutz der Spezies fachlich eher schaden und dem Wohlergehen der von uns gehaltenen Tiere keinesfalls nützen."
- Auszug aus dem Offenen Brief von Dag Encke

Immer wieder steht das Nürnberger Delfinarium in der Kritik. Nicht artgerecht sei die Haltung, unzumutbar für die Tiere, eine Quälerei der sensiblen Delfine. In Deutschland schlossen auch deshalb reihenweise Einrichtungen, die letzten verbleibenden der Republik stehen in Duisburg und Nürnberg. Derzeit leben sieben Große Tümmler in der Lagune, drei davon sind Wildfänge, vier in Zoos geboren. 

Der Tiergarten aber setzt weiter auf das Delfinarium, dessen Lagune erst 2011 eingeweiht wurde - eine Millionen-Investition in die Zukunft der Haltung. "Unsere Einrichtung dient dem Artenschutz und dem nachhaltigen Populationsmanagement ", sagt Encke. "Seit 2003 werden keine Tümmler aus der Wildbahn eingebracht." 

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