"Darf nicht totgeschwiegen werden"

Weil er seinen Freund küsst: Junger Nürnberger wird am Hauptbahnhof angepöbelt - und attackiert

Oliver Haas

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7.7.2022, 17:43 Uhr
Weil er seinen Freund küsst: Junger Nürnberger wird am Hauptbahnhof angepöbelt - und attackiert

© Twitter/Mortiz

"Ich habe gesehen, was für eine perverse Scheiße ihr da gemacht habt!" Es ist eine homophobe Attacke, die der junge Nürnberger am 27. Juni am Nürnberger Hauptbahnhof erfahren musste. Aber was ist genau geschehen?

Moritz und sein Freund haben sich in der Stadt getroffen. "Mein Freund lebt in Mannheim und ist spontan nach Nürnberg gekommen", erzählt Moritz im Gespräch mit der Redaktion. Dann habe er ihn gegen 21 Uhr wieder zum Bahnhof gebracht. "Wir haben zusammen am Bahnsteig auf den verspäteten ICE gewartet, uns währenddessen mehrmals umarmt und geküsst." Eine Verabschiedungsszene, wie es sie zu Hauf am Bahnhof gibt.

Danach durchquerte er die Bahnhofshalle und ging die Treppen zur U-Bahn hinunter. Als er in die Unterführung kam, tauchte auf einmal ein älterer, ungepflegter Mann neben ihm auf und ging ihn mit lauter und aggressiver Stimme an. "Ich war total perplex und hab den Mann nur irritiert angesehen. Vor allem wusste ich zunächst nicht, was er denn meint", schildert Moritz den Vorfall. Dann hat ihn der Mann geschubst und lief zügig weiter ohne Moritz nochmal anzusehen.

Niemand hat reagiert

Einige Personen haben den Vorfall mitbekommen - niemand hat reagiert. "Ich erinnere mich an den Blick von einer älteren Frau, die dann aber auch weitergegangen ist", sagt Moritz. Der Mann habe zwar nicht geschrien, aber laut genug und auf eine aggressive Weise gesprochen, sodass die umherstehenden Menschen es mitbekommen konnten. Spätestens als Moritz geschubst wurde, hätte jeder merken können, dass etwas nicht stimmt.

Schnell wurde Moritz klar, dass das, was da passiert ist, nicht sein kann und es langsam reicht. Zu Hause angekommen setzte er einen kämpferischen und emotionalen Tweet ab, um die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass Anfeindungen und Attacken gegenüber Homosexuellen in aller Öffentlichkeit passieren und zu wenig Beachtung finden. "Ich bin an einem Punkt angekommen wo ich keine Lust mehr habe, mir Gedanken zu machen, wenn ich mit meinem Freund in der Öffentlichkeit unterwegs bin." oder "Es darf nicht totgeschwiegen werden, dass Homophobie immer noch ein großes Problem ist. Es reicht einfach", ist darin zu lesen.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, war Moritz überwältigt, wie viele positive Reaktionen es auf seinen Tweet gab. "Über 3000 Likes, 200 Retweets und hunderte Kommentare waren die Reaktionen auf meinen Tweet allein über Nacht." Auch viele private Nachrichten erreichten den jungen Nürnberger.

Es war nicht das erste mal, dass Moritz aufgrund seiner Sexualität angefeindet wurde. "Es war aber das erste mal, dass ich angegriffen wurde." Zur Anzeige wird er den Vorfall jedoch nicht bringen. "Ich kenne mehrere Leute, die ebenfalls solche Erfahrungen machen mussten und es zur Anzeige brachten", berichtet er. Zwar bringe es etwas für die Statistik zu homophoben Attacken, mehr komme dabei aber meist nicht heraus. Im Endeffekt bedeute es mehr Stress für die Betroffenen.

Sollte er nochmal in eine solche Situation kommen, will er nicht mehr passiv sein. "Ich will etwas zurück sagen und reagieren, selbst wenn es nur ein böser Blick ist. Ich will nicht nichts tun", sagt Moritz entschlossen. Ihm ist aber auch wichtig, dass die anderen Leute in solchen Situationen nicht nur unbeteiligt zusehen, sondern auch etwas tun.