Zollhof-Expertin: Frauen haben es schwerer beim Gründen

7.3.2019, 05:57 Uhr
Die Digitalbranche hat Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung.

© Fotolia Die Digitalbranche hat Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung.

Frau Braun, Sie nennen den Zollhof anschaulich einen "Brutkasten für Start-ups". In den Räumen am Kohlenhof werden aktuell 16 Gründer aus der Digitalbranche betreut. Darunter ist genau eine Frau. Woran liegt es, dass Frauen immer noch so stark unterrepräsentiert sind?

Anne Christin Braun: Zunächst mal ist es ziemlich traurig, dass es so ist. Deshalb nehmen wir uns das Thema im Zollhof nun intensiv vor. Frauen scheuen vielleicht mehr das Risiko, sie sind oft auch zurückhaltender als Männer. Hinzu kommt, dass in der Schule von ihnen gar nicht erwartet wird, dass sie in den MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gut sind. In Mathe läuft es ganz subtil so, dass Mädchen nicht ermutigt werden. Ihnen wird auch seltener ein Robotik-Baukasten geschenkt als Jungs. Es wird noch dauern, bis sich Frauen im Tech-Bereich emanzipiert haben.

Dabei haben Start-ups doch auch wirtschaftlich etwas davon, wenn sie mit weiblicher Beteiligung arbeiten.

Braun: Es ist wirklich ziemlich absurd. Nur 15 Prozent aller Gründer in Deutschland sind Frauen, unter den Angestellten in der Digitalbranche machen sie nur 16 Prozent aus. Zugleich werden aber 70 bis 80 Prozent aller Kaufentscheidungen von Frauen getroffen, so dass Firmen, die bei der Produktentwicklung vorrangig an männliche Verbraucher denken, viel Potenzial liegen lassen. Und während gerade mal sieben Prozent des gesamten Risikokapitals in Start-ups mit weiblicher Beteiligung fließen, aber 93 Prozent in reine Männerteams, machen gemischte Gründerteams in den ersten fünf Geschäftsjahren zehn Prozent mehr Umsatz.

Anne Christin Braun (33) arbeitet als Senior Marketing Managerin im Gründungszentrum Zollhof in der Kohlenhofstraße. Zuvor arbeitete sie mehrere Jahre in Kommunikationsabteilungen von Firmen aus der Digitalbranche, zuletzt war sie sechs Jahre lang bei der Nürnberger Paessler AG beschäftigt. Derzeit absolviert Braun ein nebenberufliches Master-Programm in Gesundheitswissenschaften. Sie studierte Wirtschaft und Sprachen in Zwickau.

Anne Christin Braun (33) arbeitet als Senior Marketing Managerin im Gründungszentrum Zollhof in der Kohlenhofstraße. Zuvor arbeitete sie mehrere Jahre in Kommunikationsabteilungen von Firmen aus der Digitalbranche, zuletzt war sie sechs Jahre lang bei der Nürnberger Paessler AG beschäftigt. Derzeit absolviert Braun ein nebenberufliches Master-Programm in Gesundheitswissenschaften. Sie studierte Wirtschaft und Sprachen in Zwickau. © Foto: Privat

Warum sind Geldgeber bei gemischten Start-ups zurückhaltender?

Braun: Investoren sind zu einem großen Teil Männer, da herrscht wenig Diversität. Und sie unterstützen eben wiederum nicht selten andere Männer. Aber Frauen müssen sich auch besser vernetzen und sich trauen, mit breiter Brust ihren Raum zu beanspruchen. Eine Mitarbeiterin von Siemens hat mir erzählt, dass eine Bewerberin um eine offene Stelle in ihren Unterlagen nicht angegeben hatte, dass sie programmieren kann. Sie begründete das damit, dass sie es sich selber beigebracht und keinen formalen Abschluss hat. Das ist ein gutes Beispiel für falsche Bescheidenheit.

Sie möchten mit dem Team des Zollhofs das digitale Ökosystem in der Region diverser gestalten. In einer ersten Paneldiskussion ging es um weibliche Vorbilder in der Branche.

Braun: Ohne Vorbilder ist es schwer, Frauen Mut zu machen. Wir hatten auch die junge Programmiererin Aya Jaff auf dem Podium. Sie ist gerade mal 23 Jahre alt und obwohl sie ihre Leistungen in Mathe fast das Abitur gekostet hätten, wurde sie eine der erfolgreichsten Programmiererinnen, ihr Weg führte sie von Nürnberg bis ins Silicon Valley. Die Veranstaltung hat mir gezeigt, dass viele Frauen aus der Branche eine Anlaufstelle suchen, um Kontakte zu knüpfen. Wir hatten auch Alexandra Kropielnicka zu Gast. Sie leitet in München das Fundraising Team der Female Tech Leaders. Die bieten Programmier-Workshops primär für Frauen an, das kann ich mir auch gut für Nürnberg vorstellen.

Zum Internationalen Frauentag am Freitag, 8. März, erscheinen die Nürnberger Nachrichten als eine Themenausgabe mit vielen spannenden Geschichten über starke Frauen. Darin findet sich auch ein Interview mit Aya Jaff, der Programmiererin, die von Nürnberg aus die digitale Welt eroberte.

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