Zweitausendeins in Nürnberg schließt seine Filiale

25.1.2014, 13:20 Uhr
Exil-Nürnbergerin Janet Flechl (30) zeigt ihrem Freund Steven Plitt (24) bei einem Besuch in der alten Heimat als erstes das Zweitausendeins-Geschäft.

© Matthias Stiel Exil-Nürnbergerin Janet Flechl (30) zeigt ihrem Freund Steven Plitt (24) bei einem Besuch in der alten Heimat als erstes das Zweitausendeins-Geschäft.

Der Kultladen in der Lorenzer Straße hatte seit seiner Eröffnung im Februar 1993 eine treue Fangemeinde. Musik abseits des Mainstreams, die verlagseigene DVD-Filmreihe, Premium-Belletristik zu Schnäppchenpreisen - hier wartete ein Angebot, das so in und um Nürnberg nicht zu finden war. Ein wahrer Kulturort eben.

Fünf Mitarbeiter sind noch bis zum Samstag in der Nürnberger Filiale beschäftigt, dann droht eine unsichere Zukunft. Keiner von ihnen hat bisher eine neue Anstellung in Aussicht. Der Sozialplan der Transfergesellschaft fängt die Angestellten für zwölf Monate auf. "Doch ein Jahr ist schnell vorbei", erlärt ein Mitarbeiter mit bitterer Miene. Er verkaufte seit über 20 Jahren Bücher und CD's in der Lorenzer Straße.

Die Nürnberger Kunden trauern, so der Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen will. "Sie leisten Trauerarbeit, denken an uns und haben unsere Tätigkeit honoriert. Wir stachen aus der gesichtslosen Masse heraus."

Von Adorno bis Zappa: Große Kultur zum kleinen Preis bei 2001

Gegründet wurde Zweitausendeins schon 1969 in Frankfurt. Lutz Reinecke und Walter Treumann beriefen sich in ihrer nicht ganz erstgemeinten eigenen Legendenbildung zwar nur auf eine Chianti-geschwängerte Idee, doch ihr Verlag entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zur Erfolgsgeschichte. 

Bei der 68er-Generation kam das Angebot verramschter Restauflagen mit Niveau bestens an, Bücher- und Plattenfreunde griffen in den kleinen Filialen stapelweise zu oder orderten per Post über den einzigartigen Katalog im Kleinformat, das  auf dünnstem Papier gedruckte "Merkheft".  Von Adorno bis Zappa - hier war die Themenpalette groß, die Preise klein, der Umsatz wuchs in die Millionen.

Schon vor dem Verkauf an den Unternehmer Michael Kölmel (Kinowelt) im Jahr 2006 begann jedoch der Niedergang. Die angekündigte "Umgestaltung" resultierte vor allem in der Entlassung zahlreicher Mitarbeiter, der Umsatz sank drastisch. Die Präsenz im Internet wurde zwar ausgebaut, doch die  Web-Konkurrenz war da längst mit Riesenschritten vorbeigezogen.

2012 gab der Verlag bekannt, seine Filialen nach und nach zu schließen.  In München und Hamburg machten die Läden 2013 dicht, in Nürnberg ist es nun am Samstag soweit. Zweitausendeins setzt ausschließlich auf das Online-Angebot und verschwindet aus den Innenstädten. Zurück bleibt eine enttäuschte Fangemeinde - und Angestellte, die sich einen neuen Job suchen müssen. Zum endgültig letzten Mal öffnet der Zweitausendeins-Laden am Samstag von 10 bis 19 Uhr  -  Abschiedsschmerz inklusive.

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