Städtepartnerschaft im Blick

Hersbrucker erleben emotionale Momente im Märtyrerdorf von Oradour

Hersbrucker Zeitung

E-Mail

2.6.2023, 06:00 Uhr
Über dieses Tor betraten die Hersbrucker das Märtyrerdorf, das als Mahnmal an die Gräueltaten erinnern soll.

© Christl Schäfer-Geiger Über dieses Tor betraten die Hersbrucker das Märtyrerdorf, das als Mahnmal an die Gräueltaten erinnern soll.

Eine Hersbrucker Delegation hat Oradour-sur-Glane besucht. Mit großer Gastfreundschaft und Herzlichkeit wurde die Hersbrucker Gruppe um Bürgermeister Robert Ilg empfangen.

Das Centre de La Memoire ist gut besucht, viele Menschen schieben sich durch die Ausstellung. Bilder von Soldaten, Hakenkreuzen, von Hitler sind allgegenwärtig. Und dann die Erzählungen in kurzen Abschnitten gehalten, über das, was am 10. Juni 1944 im Ort passiert ist. Verstörende Bilder drängen sich auf. Hier lacht keiner an diesem Nachmittag.

Schreckliche Bilder

Die Fotos zeigen, wie verbrannte Leichen auf Schubkarren weggefahren werden. Verkohlte Torsos lassen den Menschen kaum noch erahnen. Auf einer Tafel ist zu lesen, dass die SS ganz gezielt darauf geachtet hat, dass keiner mehr identifiziert werden konnte. Den Angehörigen sollte die Trauerarbeit unmöglich gemacht werden. Die Leichenschändung wurde als letzte Maßnahme eingesetzt, um den „Feind“ zu demoralisieren.

Oradour war im Krieg ein von den Deutschen kaum beachtetes Dorf. Es befand sich in der „freien Zone“, im südlichen Teil Frankreichs und wurde damit von der Vichy-Regierung kontrolliert, die mit den deutschen Besatzern zusammenarbeitete. Keiner der Bewohner war zunächst beunruhigt. Vorgegaukelt wurde ihnen, dass die Häuser nach Waffen durchsucht werden würden.

Nachdem es in Oradour aber noch nie Widerstandskämpfer gegeben hatte, war die Angst vor den Soldaten nicht besonders groß. Bewusst und zu spät war es erst, als die Männer in Scheunen zusammengetrieben und erschossen wurden. Frauen und Kinder brachten die Soldaten in die Kirche und verbrannten sie bei lebendigem Leib. Insgesamt wurden 643 Menschen, darunter etwa 200 Kinder, ermordet.

Der Weg zur Versöhnung

Nach fast 80 Jahren hat sich Oradour-sur-Glane auf den Weg gemacht und die Hand der Versöhnung ausgestreckt. Vermittelt über den mittelfränkischen Bezirkstagspräsidenten Armin Kroder und seinen ehemaligen Vizepräsidenten, Fritz Körber, sind sich Oradour und Hersbruck bereits näher gekommen. Nun hat eine Hersbrucker Delegation aus Stadträtinnen und Stadräten und Mitarbeiterinnen der Verwaltung den französischen Ort besucht. Herzlich aufgenommen wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Phillipe Lacroix, dem Bürgermeister der 2500 Einwohner zählenden Gemeinde.

Lacroix ist ein agiler und aktiver Mensch, der gefühlt immer unter Strom steht. Wenn man ihn beobachtet, dann ist er ständig am Organisieren, am Telefonieren, umarmt zwischendurch noch Passanten und erkundigt sich, wie’s denn so geht. „Wir wollten euch von allem etwas zeigen“, erklärt er das Programm, das er sich mit seinen Mitarbeitern für die deutschen Gäste ausgedacht hat. Sport, Natur, Kultur und natürlich Oradours Geschichte sollten in den vier Tagen enthalten sein. Um „gute Schuhe“ hatte er seine Gäste schon im Vorfeld gebeten.

Auf den Spuren der Heiligen

Schon am ersten Abend entführten die Gastgeber die Hersbrucker Gruppe zu den nur alle sieben Jahre stattfindenden „Ostensions de Javerdat“. Die Ostentationen im Limousin sind Zeremonien und Prozessionen, die zur Ausstellung und Verehrung von Reliquien katholischer Heiliger veranstaltet werden, die in den Kirchen aufbewahrt werden. Die von den örtlichen Städten und Dörfern weitgehend unterstützten Feierlichkeiten ziehen eine große Anzahl von Menschen an, die sich versammeln, um die Reliquienschreine in Begleitung von Fahnen, Bannern, Dekorationen und kostümierten historischen Figuren durch die Städte ziehen zu sehen.

Nicht weniger interessant war die Besichtigung von Limoges, der Hauptstadt des Départements Haute-Vienne, zu dem Oradour gehört. Auf einen Sprung und nur wegen den Gästen aus Hersbruck war auch Pascal Coste, der Präsident des Nachbar-Départements Corrèze vorbeigekommen. So hatte die Hersbrucker Delegation viel Gelegenheit, sich zu informieren, über Verwaltungsabläufe und Organisationsstrukturen, über Gleiches und Verschiedenes. Und bei allem ist man sich näher gekommen, obwohl die Sprachbarriere ein einschneidender Punkt war. Manch einer hatte ein paar Restvokabeln aus der Schulzeit im Kopf, ein anderer versuchte es vergeblich mit Englisch.

Gemeinsames Klettern

„Wir werden weiterarbeiten an unserer Freundschaft und geben uns dazu die Zeit, die es braucht“, meint Bürgermeister Robert Ilg am Ende des Besuchs zu seinem französischen Kollegen. Einen sehr netten Abschied hatten die Hersbrucker in der Kletterhalle von Oradour. Beim Anblick kletternder Kinder und Erwachsener ging der Blick gleich zum Pendant nach Hersbruck. Ein guter Weg freundschaftlicher Begegnungen wäre sicherlich der Sport. Darüber waren sich die beiden Bürgermeister einig.