Reportage
Zwischen Kabeltrommel, Zeltplane und Genehmigungen: Das ist alles für eine Kirwa zu tun
21.07.2023, 06:00 Uhr
Es ist Samstagfrüh, 9 Uhr. Die Wiese am Lusthausgarten ist seit ein paar Tagen akkurat gemäht. „Das haben die Meers gemacht“, erklärt Christian Riedl, der Vorsitzende des Kirwavereins. Jetzt verwandelt sie sich in ein großes Aufbaufeld: Wagen und Anhänger stehen herum; ein offener Container gibt den Blick auf jede Menge Material frei. So etwas wie ein kleiner grüner Stapler holpert über den Rasen, ein Laster brummt. Es sind noch fünf Tage bis zur Vogelsuppe im Zelt.
Wo das seinen Platz findet, ist schon zu erahnen. Direkt neben dem Radweg. Die Kirwaburschen und ihre Helfer haben nämlich schon erste riesige graue Bodenplatten ausgelegt – wie ein einfaches Puzzle, das langsam Form annimmt. Die Sonne brennt erbarmungslos auf diese baumfreie Zone. Einer hämmert, andere schleppen ein weiteres Teil heran. Den ersten langen Laster haben sie schon abgeleert. Er rollt davon.
Zeltmeister gibt den Ton an
Er kommt von einem Zeltverleih, mit dem die Reichenschwander schon vergangenes Jahr zusammengearbeitet haben: „Wir haben das dann gleich wieder für 2023 fest gemacht“, sagen Riedl und sein „Vize“ Marcel Keitzl. Vor einigen Wochen kamen die Experten, um den Platz auszumessen und zu schauen, welches Zelt es werden soll. Der Zeltverleiher und sein Sohn sind höchst persönlich dabei. Sie basteln gerade am Boden für den Küchenbereich: ein Holzklotz zum Ausgleichen der Unebenheiten der Wiese, eine Stange, Platte und so weiter.

Das hat die Gruppe um die Kirwaburschen bereits geschafft. „Dieses Jahr bauen wir alles per Hand auf“, betonen die beiden, „weil die Platten kleiner sind und wir keinen Kran brauchen“. Das Metallskelett des Hauptzelts, das sie vorher hingelegt und verschraubt haben, wartet auf seine Verkleidung, auch der Untergrund für Ausschank, Bar und Terrasse fehlen noch. „Hauruck, hauruck, hauruck.“ Drei bis vier Jungs hängen an einem Seil, um eine Dachplane aufzuziehen. „Der Zeltmeister gibt an, wo was hin soll“, erzählt Riedl, „da kann der Ton auch mal rauer werden“. Er weiß, dass es dann Fingerspitzengefühl braucht und genügend Motivation, um alle bei der Stange zu halten: „Am Anfang ist die Vorfreude riesig, aber wenn mal was nicht klappt …“
Zwei Wochen Urlaub
Doch den „schönen Kern“ bringt das nicht aus dem Takt, verrät Keitzl aus seiner langen Erfahrung. Der sei jeden Tag zwei Wochen lang da und wachse zu einer großen Familie zusammen. „Viele nehmen sich da Urlaub, weil die Arbeit eben immens ist.“ Abends werde aber zusammengesessen und gemeinsam gegessen, einige würden zur Zeltwache ab Samstag auch am Kirwaplatz schlafen. „Die machen das freiwillig“, betont Keitzl. Nach zehn Nächten ist man Kirwa-Wächter – „eine große Ehre“. Da scheppert ein alter Traktor heran. Hinten drauf hat er große graue Sofa-Teile.
Aus einem Zelteck röhrt ein Akkuschrauber. „Schon beim Aufbau müssen wir dran denken, dass wir Strom, Toilettenwagen, Getränke und Vesper haben“, erläutert Riedl. Weil es so viele Aufgaben sind, hat der Kirwaverein viele einzelne Teams geschaffen – unter anderem für Bauwagen, Bar, Ausschank und so weiter. „Wir haben das wie eine Pyramide nach unten delegiert“, beschreiben es die beiden Vorsitzenden. Diese Organisation binde die vielen jungen Leute, die nachkommen, gut mit in die erfahrenen Kräfte ein. „Jeder nimmt von der Zeit was mit und bekommt Einblick in alles“, meint Riedl. Dabei kristallisiere sich dann auch heraus, wer künftig dabei bleibe.
Tipp für die Band
Die, die das tun, treffen sich seit Ende April bei der wöchentlichen Kirwa-Sitzung, die Führungsriege kommt alle vier bis sechs Wochen in der heißen Vorbereitungsphase zusammen, überschlagen Riedl und Keitzl. Zu besprechen und abzustimmen ist viel: Teilnehmer des Austanzens, T-Shirts, internes Bezahlsystem für Mitglieder, Plakate aufhängen, Flyer verteilen, Werbung auf Homepage und Facebook. Die Gestaltung der Flyer und Plakate übernimmt Keitzl: „Das macht mir einfach Spaß.“ Manchmal braucht es auch einen Tipp für eine Band. „Eigentlich fragen wir schon während der laufenden Kirwa an, vor allem, wenn eine Gruppe gut war, ob sie wiederkommen“, berichten die beiden. Ansonsten hören sie sich um und schauen, was zu den Abenden passt – also Rock am Freitag, Party am Samstag. „Der Sonntag darf nicht so viel kosten, sollte aber alles können, auch das Austanzen spielen“, führt Keitzl aus. Das Musik-Budget von 10.000 Euro hätten sie nach Corona etwas erhöht, erhöhen müssen, weil die Bands teurer geworden seien.
Absprachen seien auch außerhalb des Vereins an der Tagesordnung: Feuerlöscher, Rettungswege, Bestellung der Security, Gema, Gesundheitsamt, Polizei und Gemeinde. Die kümmert sich um die Schausteller, die erstmals auch im Lusthausgarten Platz finden. „Der Austausch funktioniert gut“, macht Riedl klar. Und der ist diesmal auch noch wichtiger. „Wir brauchen zwischen den Buden genügend Platz für die Schwalben und während des Baumaufstellens ist aus Sicherheitsgründen alles zu.“ Riedl ist in diesen Tagen mehr oder weniger ständig erreichbar, sagt er.

Da klingelt sein Handy. Die Hewa ist dran. „Wir kümmern uns selbst um die ganze Verkabelung für Küche, Zelt, Bühne und bekommen den Strom von der Hewa“, erklärt Riedl. Der Energieversorger bereite alles vor, die Kirwaburschen holen alles ab. „Das sind große Trommeln.“ Im Zelt-Skelett kehrt Ruhe ein. „Der Zeltverleih hat die falschen Planen für die Seitenwände eingepackt“, kann Riedl aufklären. Verzögerungen seien aber normal. Und noch ist Zeit. Da geht auch eine Pause am Sonntag.
Es ist Montag. Das Hauptzelt hat längst seine Außenplanen, ist aber innen leer. Zumindest fast. Mittendrin die graue Sofalandschaft für die Wache und die Bühnen; auch Lampen hängen schon. Noch ohne Strom. Der steht heute samt Wasserversorgung auf der Liste, blickt Keitzl auf den Nachmittag voraus. Während die einen sich ums Heranschaffen der Bauzäune kümmern, verkleiden die anderen den Ausschank-Bereich. Von Hektik keine Spur, auch nicht, als das Barzelt kommt. Am Abend ist die Zelt-Landschaft tatsächlich komplett, auch die Küchenteile stehen. „Wir waren recht zügig diesmal“, finden die Vorsitzenden. Noch drei Tage.
Was ist das In-Getränk des Jahres?
Das Schleppen hört für die Jungs nicht auf. Die Brauerei hat die ersten Getränke und Biergarnituren gebracht. Noch stehen Letztere stapelweise im Zelt. Gerade arbeiten die Jungs am Bartresen und an den Hackschnitzeln rund um den Bierwagen. Die kamen spontan. „Klar kannst die bringen, da sind schon ein paar da, die die mit der Wasserwaage ausrichten“, scherzt Keitzl über den Perfektionismus der Truppe am Telefon. „Eigentlich geht es schon Richtung Feinarbeit“, überlegt er laut. Da sieht man auch an der akkuraten Bastelei des Übergangs zwischen Terrasse und Zelt.
Die Getränke wollen auch an ihren Platz gebracht werden. Während diese ebenfalls von der Brauerei stammen, bestellt der Kirwa-Verein Schnaps und Mischgetränke beim Hauenstein in Henfenfeld. Doch wie viel? „Da haben wir inzwischen gewisse Erfahrungswerte“, so Riedl. Außerdem könne man den Verbrauch aus dem Vorjahr nachschauen und überlege anhand dessen, was man wieder nimmt oder welche Trendgetränke es dieses Jahr gibt. „Und wir können Samstag auch noch nachbestellen“, ergänzt Keitzl.

Zwei Tage bis zur Vogelsuppe. Obwohl noch viele Kleinigkeiten zu erledigen sind, nehmen sich die Kirwaleute Zeit für den Gottesdienst. „Es ist echt erstaunlich, dass sie dafür jetzt einen Sinn haben“, lobt Pfarrerin Lisa Weniger. Sie sitzen im Pfarrgarten und planen den Ablauf. Die jungen Mädels und Jungs bringen sich viel ein – trotz der zig anderen Aufgaben.
Es ist Donnerstag, 17 Uhr. Alles ist bereit. Fast alles. „In der Bar wird manchmal noch gerödelt“, gibt Riedl preis. Die dekorieren die Kirwa-Madla. Diesmal nach einem Motto in Anlehnung ans Bermudadreieck. Mal sehen, wie viele da am Wochenende versumpfen und beim Abbau wieder auftauchen. Da ist die Party für Kirwa-Leute dann wieder vorbei.