Pandemie: Warum werden Kitakinder nicht getestet?

22.4.2021, 06:00 Uhr
Während Schulkinder einer Testpflicht unterliegen, gibt es derzeit noch nicht genug passende Tests für Kita-Kinder. 

© iStock.com / lithiumcloud, NNZ Während Schulkinder einer Testpflicht unterliegen, gibt es derzeit noch nicht genug passende Tests für Kita-Kinder. 

Das Gesundheitsamt Nürnberg schlüsselt inzwischen auf, wie viele Kinder mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert sind. In Nürnberg lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei Kindern zwischen null und vier Jahren am 20. April bei 150, bei den Fünf- bis 14-Jährigen bei 265 und in der Gesamtbevölkerung Nürnbergs bei 238,4, erklärt Gesundheitsreferentin Britta Walthelm.

Inzidenz unter Kindern steigt

Auch wenn der Bevölkerungsanteil von Kindern geringer sei, beobachte sie den Trend, dass sie sich immer häufiger infizieren. Die Zahlen der vergangenen sieben Tage zeigen: In Nürnberg leben 25.696 Kinder im Alter von null bis vier, das entspricht 4,96 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Anteil an Infektionen in dieser Altersgruppe lag in den vergangenen sieben Tagen bei 3,01 Prozent

Überdurchschnittlich ist hingegen die Altersgruppe von fünf bis 14 Jahren betroffen. Diese 44.169 Kinder entsprechen einem Bevölkerungsanteil von 8,52 Prozent. Bei ihnen lag der Anteil am Gesamtinfektionsgeschehen bei 9,11 Prozent. In die Zählung fließen nicht die Ergebnisse von Schnelltests ein. Die Datenlage fußt ausschließlich auf positiven PCR-Tests. Da unter Kita-Kindern jedoch weniger getestet werde, gebe es dort vermutlich ein "größeres Dunkelfeld" von unentdeckten – unter Umständen symptomlos verlaufenden – Infektionen, so Walthelm.

Corona-Lollipop-Tests sind auch für kleine Kinder geeignet, es gibt sie in runder oder – wie hier im Bild – eckiger Form. Das Kind lutscht daran wie an einem Lolli, der Rachen oder die Nase werden nicht berührt.  

Corona-Lollipop-Tests sind auch für kleine Kinder geeignet, es gibt sie in runder oder – wie hier im Bild – eckiger Form. Das Kind lutscht daran wie an einem Lolli, der Rachen oder die Nase werden nicht berührt.   © imago images/Hartenfelser

Diese Entwicklung rückt zunehmend die Eltern in den Fokus. Sie müssen in der Regel am längsten auf ein Impfangebot warten. Sie sind zu jung, um priorisiert zu werden – und gleichzeitig die, die derzeit einer großen Gefahr ausgesetzt sind, an Corona zu erkranken. Mögliche schwere Verläufe, langes Leiden an Long-Covid-Symptomen und schlimmstenfalls der Tod werden für manche Familien dramatische Folgen haben.

In den Notbetreuungsgruppen in den Kitas sind derzeit oft viele Kinder. "Das, was wir im Moment haben, ist aber keine Notbetreuung im eigentlichen Sinn, teilweise sind so viele Kinder da wie im Regelbetrieb", sagt Anna Dorn. Dorn arbeitet in einer Kita eines nicht-städtischen Trägers mitten in Nürnberg.

Wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen ist sie inzwischen wenigstens einmal geimpft, die Eltern vieler Kinder jedoch nicht. Und Dorn beobachtet, dass die einfach nicht mehr können. "Ihnen fehlt die Perspektive. Ihre Akkus sind sprichwörtlich leer. Seit einem halben Jahr herrscht in Nürnberg Notbetreuung – inzwischen spürt man nur noch Hoffnungslosigkeit. Selbst Eltern, die ihre Kinder lange zu Hause betreut haben, oft parallel zur Berufstätigkeit, haben resigniert. Die Familien können ihre eigenen vier Wände nicht mehr sehen, alle Spielplätze sind zum hundertsten Mal besucht, alle Waldwege platt getreten. Es fehlt an Freizeitmöglichkeiten, kein Kino, kein Schwimmbad, kein Sportverein, nichts."

Ein Thema mit Konfliktpotenzial

Auch Christa Rothmann, die ebenfalls eine Nürnberger Kita leitet, stimmt zu. "Wir bemerken, dass sich das auch im Kita-Alltag durchschlägt." Erst vor wenigen Tagen hätten sich die Sechsjährigen in einer Gruppe am Mittagstisch darüber unterhalten, dass Oma und Opa eine Impfung des Herstellers Astrazeneca bekommen könnten, Mama und Papa aber nicht. "Und es ist kein Ziel in Sicht. Die Eltern haben keine Reserven mehr."

Dorn und Rothmann heißen in Wirklichkeit anders. Sie möchten sich unter einem Pseudonym äußern, weil das Thema Testpflicht emotional enorm aufgeladen sei.

Grundsätzlich sind sie für das Testen, aber nicht in den Kitas. Es sei unmöglich, dass das Betreuungspersonal bei so kleinen Kindern medizinische Aufgaben übernehme. "Und was mache ich, wenn ein Kind positiv ist? Wer begleitet das Kind, ich kann es ja schlecht allein einfach in irgendeinen Raum setzen? Wie verhindert man eine Stigmatisierung?", fragt Dorn. Ein positives Testergebnis könnte die Kinder verstören: "Wenn ein Kind hinfällt, blutet das Knie. Das Kind fühlt den Schmerz, sieht das Blut, aber auch das Pflaster, das hilft. Bei einer Corona-Infektion weiß es nur: Mit mir stimmt was nicht", sagt sie.

Eltern gespalten

Rothmann stellt fest: "Man kann sagen, dass sich die Eltern in zwei Lager teilen: Die einen fordern mehr Testungen der Kinder, bei den anderen herrscht totale Ablehnung. Ich bin auch aus diesem Grund nicht für eine Testpflicht in der Kita, weil wir dieses Konfliktpotenzial nicht auch noch auffangen können."

Dorn und Rothmann verstehen die Vorbehalte einiger Eltern. Manche befürchten, ihr Kind könnte eine Arzt-Angst entwickeln, wenn es regelmäßig ein Wattestäbchen in die Nase gesteckt bekommt. Andere glauben, es würde bei einem positiven Ergebnis traumatisiert. Wenn es eine Testpflicht geben soll, dann nur unter der Regie der Eltern – und vor allem mit geeigneten Tests wie Gurgel- oder Lollipop-Tests, betonen beide.

Es braucht kindgerechte Tests

Laut Landesregierung sind Testungen von Nicht-Schulkindern mit Selbsttests in der Kindertagesbetreuung derzeit nicht geplant. Die Stadt Nürnberg diskutiere und prüfe aber seit mehreren Wochen die Testmöglichkeiten für Kinder, insbesondere auch für den vorschulischen Bereich, erklärt Kerstin Schröder, Chefin des Jugendamts. "Im Gespräch sind verschiedene, auch alternative Testmöglichkeiten für den Kindergartenbereich, zum Beispiel Pool-, Lolli- und Gurgeltests, da ein regelmäßiger Abstrich in Nase oder Rachen von Kinderärzten als sehr belastend für jüngere Kinder eingestuft wird", sagt sie.

Bei den Lollipop-Tests lutschen die Kinder 90 Sekunden an einem Probenspatel, weder der Rachen noch die Nase werden berührt. In Potsdam, teilweise auch in Solingen würden Lolli-Tests schon eingesetzt. Weitere Städte wie Crailsheim, Lathen, Mönchengladbach, Balingen und Wuppertal wollen Lolli-Tests ebenfalls einführen.


Nürnberg habe sich für Pilotprojekte mit dieser Test-Art beworben, bisher aber noch ohne Rückmeldung, so Schröder. Abseits eines freiwilligen Testangebots dürfte "der Druck bezüglich einer Testpflicht für den vorschulischen Bereich aber steigen", prognostiziert sie. "Kindgerechte Testverfahren in Kindergärten sind aus unserer Sicht grundsätzlich vorstellbar, allerdings nicht für Kinder in Kinderkrippen."
Eine flächendeckende Verfügbarkeit dieser Tests liegt noch in weiter Ferne. Derzeit, so Schröder, bleibe nur, an Eltern und das Kita-Personal zu appellieren, die üblichen – freiwilligen und kostenfreien – PCR- und Schnelltestangebote der Stadt zu nutzen. Auch das bayerische Gesundheitsministerium plädiert derzeit – mangels kleinkindgerechter Alternativen – für eine freiwillige "Umfeldtestung".

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