Pegnitzer Boxerinnen wissen sich zu verteidigen
07.03.2020, 11:55 UhrSo haben es ihr Tobias Potzler und die weiteren Trainer von Fightsports Pegnitz beigebracht. Der Vereinschef rät Frauen davon ab, sich so körperlich zu wehren, wie sie es vielleicht in manchen Selbstverteidigungskursen lernen: Wer versuche, egal ob Mann oder Frau, dem Gegenüber den Arm umzudrehen, "lässt sich auf einen körperlichen Vergleich ein", sagt Potzler, und der könne bei der Konstellation Mann gegen Frau eben schnell für den Mann ausgehen.
Jemanden körperlich anzugehen, sei aber das allerletzte Mittel der Verteidigung, sagt Potzler. Das Gegenüber verbal in die Schranken zu weisen beziehungsweise das Umfeld auf die Situation aufmerksam machen, seien die ersten Schritte. Aber wenn es wirklich darauf ankommt, Mann oder Frau buchstäblich mit dem Rücken zu Wand steht, "hilft nicht greifen, sondern schlagen".
Patrice Heer begann als 16-Jährige mit dem Boxen, es lag in der Familie, Vater und Opa hatten das gleiche Hobby, Patrice und ihre Brüder übernahmen es. "Es ist gut zu wissen, wie man sich verteidigt", sagt Heer. Als sie anfing, ging es ihr aber nicht um Selbstverteidigung. Der Sport hatte ihr einfach schon immer gefallen und jetzt war sie alt genug. "Man erfährt dadurch, dass jeder stark ist, jeder Chancen hat", sagt Heer.
Ein neues Gefühl war es für sie, sich zu trauen, wirklich zuzuschlagen. Bei ihrem Debüt, es war die Pegnitzer Fightnight im November 2017, kickboxte sie sich mit lediglich elf Monaten Erfahrung zu einem knappen Sieg nach Punkten. "Vor einem lautstarken Heimpublikum zu kämpfen ist ein Push, einfach unbeschreiblich", erinnert sich Heer an diesen Abend in der Christian-Sammet-Halle. Es folgten zwei Siege und drei Niederlagen. "Ob ich gewinne oder verliere ist für mich nicht entscheidend", sagt Heer, "ich kämpfe für meine Boxleidenschaft und meinen Verein."
Die 18-jährige Lena Steffel hat ihren ersten Kampf dagegen noch vor sich. Sie und Heer kennen sich aus der Schule, haben zusammen Abi gemacht. Für ihr Debüt, ganz egal wann es stattfindet, rät Heer ihrer Vereinskollegin: "Mach‘ dir nicht zu viel Kopf, glaub an dich selbst, geb‘ den Mut nicht auf und vergess‘ die Taktiken nicht."
Steffel schnupperte als ehemalige Volleyballspielerin vor etwa zwei Jahren ins Boxtraining von Fightsports Pegnitz hinein und blieb sofort hängen. Seitdem trainiert sie genau wie Heer bis zu sechs Mal pro Woche, in Kursen, an Geräten oder beim Joggen. "Ich kämpfe für mich und die Erlebnisse", sagt Steffel. Sie genießt es, mit anderen Sportlern gemeinsam besser zu werden, weiß aber ebenso zu schätzen, dass "kämpfen kein Teamsport ist."
Steffel und Heer sind ehrgeizig, bei den Kursbesuchen fallen sie unter die Kategorie "regelmäßig regelmäßig", sagt Potzler. Sie ernähren sich gesund, nur ein, maximal zwei Mal pro Woche gibt es bei beiden Fleisch. Fastfood versuchen sie komplett zu vermeiden, aber ab und zu eine Pizza ist in Ordnung. "Man muss sich überlegen, dass eine Pizza aus Teig, Tomatensoße und Käse besteht, das sind normale Sachen", sagt Heer. Es sei wichtig, sich etwas zu gönnen, "der Mensch ist doch keine Maschine."
Gut für das Selbstbewusstsein
Lena Steffel macht momentan eine Ausbildung zur Industriekauffrau, Patrice Heer hilft in einer Bäckerei aus und hofft auf einen Platz bei der Bundespolizei. Durch das Kämpfen sind sie selbstbewusster geworden, sagen beide. Es hätte aber ruhig schon viel früher sein dürfen: "Mädchen und Jungs sollten schon im Sportunterricht Selbstverteidigung lernen", findet Patrice. Es wäre wohl auch die Chance, Geschlechterrollen im Unterricht aufzubrechen. Lena: "Wir haben auch so mädchentypische Sachen gemacht. Aber das ist nichts Nützliches fürs Leben."