Im Porträt

Powerfrau durch und durch: Diese Fränkin ist Brauerei-Chefin und Mutter

4.2.2020, 06:00 Uhr
Seit 2010 ist Marlies Bernreuther für die Geschäfte der Pyraser Landbrauerei verantwortlich. Unter der Regie der dreifachen Mutter erhöhte sich der Gesamtausstoß des fränkischen Traditionsbetriebes um knapp 60 Prozent.

© Foto: Arndt Wittenberg Seit 2010 ist Marlies Bernreuther für die Geschäfte der Pyraser Landbrauerei verantwortlich. Unter der Regie der dreifachen Mutter erhöhte sich der Gesamtausstoß des fränkischen Traditionsbetriebes um knapp 60 Prozent.

Hin und wieder erzählt die Mutter von Marlies Bernreuther, was einst das erste Wort ihrer Tochter war: nicht "Mama" oder "Papa", sondern "selber". "Ich wollte immer alles selber machen", erinnert sich die 42-Jährige, die schon mit vier Jahren genau wusste, was sie will im Leben. "Gell, Papa, ich krieg' einmal die Brauerei", sagt sie damals zu ihrem Vater, erfolgreicher Chef der Pyraser Landbrauerei im Landkreis Roth und vergöttertes Vorbild seiner kleinen Tochter.

"Ich war ein richtiges Papa-Kind", erzählt die heutige Chefin des fränkischen Traditionsbetriebs, dessen Ursprünge auf das Jahr 1649 zurückgehen. Es habe sie fasziniert, ihren Vater in dieser Männerwelt zu beobachten. "Und ich war unheimlich beeindruckt, wie sehr die Menschen Respekt vor ihm hatten." Ähnlich malt sich die kleine Marlies ihr späteres Leben aus, doch der Weg dahin war "unglaublich anstrengend und steinig", wie Bernreuther sagt. "Und er war lange begleitet von Zweifeln, ob es tatsächlich der richtige Weg ist."

Den Babybauch lange versteckt

Nach einer "wahnsinnig schönen Kindheit", in der das Betriebsgelände der elterlichen Brauerei für sie und ihre drei Geschwister ein einziger großer Abenteuerspielplatz ist, muss sie sich mit 14 Jahren mit der ersten Zäsur in ihrem Leben auseinandersetzen. Bernreuther verknallt sich in einen älteren Mitschüler und wird schwanger. Fünf Monate lang verheimlicht sie es ihren Eltern, bis sich der Babybauch nicht mehr kaschieren lässt. Während der Vater monatelang nicht mehr mit ihr redet, fragt ihre Mutter nur: "Und wann kriegen wir unser Kind?"

Die unbeschwerte Jugend ist mit einem Schlag vorbei. Bernreuther verlässt das Gymnasium nach der Mittleren Reife, beginnt in der Brauerei eine Ausbildung zur Industriekauffrau und zieht vom kleinen Pyras mit seinen knapp 250 Einwohnern nach München, um sich dort zur Getränkebetriebswirtin ausbilden zu lassen. Und nebenbei zieht sie ihren Sohn Marc groß.

Zeit für sich selbst bleibt da natürlich nicht. Partys oder durchgetanzte Disconächte kennt sie nur vom Hörensagen, doch das nimmt die heute 42-Jährige gelassen. "Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und ich habe nichts versäumt. Ich kenne es ja auch gar nicht anders", sagt die Unternehmerin, die mit 22 Jahren das Abitur nachholt und zusätzlich zur Arbeit im elterlichen Betrieb ein Abendstudium in Betriebswirtschaft absolviert hat.

2006 ernennt sie ihr Vater zur Geschäftsführerin und verkündet einige Zeit später, dass er sich mit 60 Jahren aus dem Geschäft zurückziehen wolle. "Er musste bereits mit 19 Jahren Verantwortung übernehmen, nachdem sein Vater tödlich verunglückt war", erzählt Marlies Bernreuther. Da habe es ihm nach 40 Jahren Vollgas einfach gereicht.

Ihre Geschwister haben andere Lebenspläne, und so wird sie am 1. Januar 2010 alleinige Chefin der Pyraser Landbrauerei. Zudem findet sie eine neue Liebe, heiratet und bekommt noch zwei Kinder. Irgendwann kriselt es jedoch, Bernreuther lässt sich scheiden.

Als alleinerziehende Mutter, die eine Firma mit 90 Mitarbeitern leitet, ist der Alltag streng durchgetaktet, ihr Terminplan ist auf Wochen hinaus randvoll. Drei Nachmittage in der Woche sind jedoch ihren beiden jüngeren Kindern, der neunjährigen Maya und dem siebenjährigen Julius, vorbehalten. Und anders als einst ihr Vater lässt sie ihren Nachwuchs nicht auf der Rücksitzbank im Auto warten, wenn noch irgendein geschäftlicher Termin dazwischenkommt.

Tägliche Zeitinseln für den Sport

"In den vergangenen Jahren habe ich sie nur einmal fünf Minuten zu spät abgeholt und habe prompt einen Anschiss von meiner Tochter bekommen", erzählt die Unternehmerin schmunzelnd, die sich täglich auch Zeitinseln fürs Laufen oder Schwimmen schafft. Beim Challenge-Triathlon in Roth hat sie zweimal als Staffelläuferin mitgemacht, und wenn es zeitlich irgendwie hinhaut, will sie dieses Jahr wieder mal einen Marathon laufen.

Ansonsten ist sie als Chefin einer fest in der Region verwurzelten Brauerei eine öffentliche Person mit vielen Terminen, die bei Kongressen oder in Radio- und Fernsehsendungen über die Rolle von Frauen in Führungspositionen spricht. Am kommenden Freitag um 22 Uhr zum Beispiel wird sie im "Nachtcafé" des Südwestrundfunks zu Gast sein und sich mit Moderator Michael Steinbrecher über ihren bisherigen Werdegang und ihren Alltag als Frau in einer von Männer dominierten Branche unterhalten.

Dabei gehen ihr diese Rollenklischees eigentlich ziemlich auf die Nerven. "Mir ist es völlig egal, ob ich die einzige Frau in einem Raum bin", sagt Bernreuther. "Wenn Sie als Frau immer Angst haben, nicht ernst genommen zu werden, dann werden Sie auch nicht ernst genommen."

Gleichwohl wurmen auch sie manche Dinge auf dem langen Weg zur völligen Gleichberechtigung. Zum Beispiel war sie vor einigen Monaten auf einem Wirtschaftskongress in der Schweiz zu Gast, auf dem es extra kürzere Vorträge für die weiblichen Besucher gab. "Uns traut man es anscheinend nicht einmal zu, 45 Minuten lang konzentriert zu bleiben", schimpft die 42-Jährige, die in ihrer Brauerei eine Frauenquote von 37 Prozent hat.

"Ich mache da überhaupt keine Unterschiede", beteuert Bernreuther, die schon von klein auf alles gemacht hat im elterlichen Betrieb – vom Schrubben der Kessel und Schleppen der Bierkästen bis zum Limonade-Verkauf auf dem Hilpoltsteiner Burgfest. Manche Dinge wie Lkw fahren könne sie zwar nicht, aber sie habe kein Problem mit dem Delegieren. "Schließlich habe ich unfassbar gute Leute hier in der Brauerei."

Familiäre Arbeitsatmosphäre

Die Metapher von der Firma als großer Familie – im Fall der Pyraser Landbrauerei, die in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen feiert, ist sie keine Phrase. "Bei einigen Betriebsangehörigen haben schon die Eltern und Großeltern hier gearbeitet, und unsere Braumeister sind eine Doppelspitze aus Vater und Sohn", berichtet die Chefin, unter deren Leitung der Gesamtausstoß der Brauerei um knapp 60 Prozent seit 2010 gestiegen ist.

In schweren Zeiten für kleinere Brauereien testet Bernreuther immer wieder die Marktchancen neuer Produkte, um den kontinuierlich sinkenden Bierkonsum der Menschen auszugleichen. Etwa ein Teegetränk, für das die koffeinhaltigen Blätter einer südamerikanischen Stechpalmen-Art verarbeitet werden.

Während sich ihr Sohn Marc dem Journalismus und dem Sportmarketing verschrieben hat, wollen ihre beiden jüngeren Kinder in ihre Fußstapfen treten. "Ich will so werden wie du", hat der kleine Julius seiner Mutter vor einiger Zeit anvertraut. "Zurzeit wohl vor allem deshalb, weil ich so viele Gabelstapler habe", sagt Marlies Bernreuther und lacht.

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