Rangelei mit dem "Drachenlord": Nürnberger musste vor Gericht

21.7.2020, 15:22 Uhr
Rangelei mit dem

© NEWS5 / Oßwald

Ein normales Dorfleben gibt es in Altschauerberg seit Jahren nicht mehr. Tag für Tag reisen Menschen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz in den 40 Einwohner zählenden Ortsteil von Emskirchen und treten vor ein bestimmtes Haus. Manche rufen dessen einzigem Bewohner Beleidigungen und Provokationen zu, einige werfen Flaschen, Eier, Steine oder Böller gegen das Anwesen, beschmieren Wände, viele filmen ihre Aktionen und stellen die Videos ins Internet.


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Erbe und Bewohner des baufälligen Hauses ist ein 30-jähriger Mann namens Rainer Winkler, der sein Geld mit Videos verdient, die er unter dem Pseudonym "Drachenlord" auf YouTube veröffentlicht. Sein Kanal hat knapp 100.000 Abonnenten. Vor neun Jahren begann der übergewichtige Winkler mit Tanzvideos. Später sang er in seinen Werken, filmte sich beim Computerspielen, oft hält er Monologe über Heavy Metal und seinen Alltag. Mehrfach äußerte er krude Ansichten.

Besuch von "Hater" eskaliert

Sozial randständig, weder intellektuell noch redegewandt, korpulent: Der "Drachenlord" ist die perfekte Zielscheibe für Häme und Aggression. Es hagelte hasserfüllte Reaktionen im Internet. Weil Winkler immer wieder zurückpöbelte und in einem Video ungeschickterweise seine Adresse nannte, standen seine "Hater" irgendwann vor seiner Tür.

Vor einigen Monaten fuhr der damals 18-jährige Azubi Manuel B. (Name geändert) aus Nürnberg zum verachteten "Drachenlord" – nicht zum ersten Mal. Bei einem früheren Besuch hatte B. Winkler gefilmt, dieser entriss ihm das Handy und schleuderte es weg. Das wollte Manuel B. mit Winkler nun "klären" und "vernünftig mit ihm reden", behauptet er als Angeklagter vor dem Jugendgericht. In Badehose und mit Handtuch bekleidet, trat er vor das Haus des "Drachenlords" – wohlgemerkt, es war Dezember.


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Doch – Überraschung! – ein sachliches Gespräch kam nicht zustande. Laut Winklers Aussage nannte Manuel B. ihn "Fettsack" und "Hurensohn" und bespritzte ihn mit Bier. Winkler selbst habe den großen, kräftigen B. zurückgeschubst, dieser habe ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Rainer Winkler erlitt Platzwunden an Auge und Unterlippe. Schließlich kam ein Nachbar vorbei und half, den Eindringling zu vertreiben.

Polizei rückte mehrmals täglich aus

Staatsanwalt Markus Modschiedler stellt Manuel B. eine überaus naheliegende Frage: "Sie tauchen in Badehose und Handtuch dort auf. Sie wissen, wie die Situation in Altschauerberg ist, dass die Nachbarn darunter leiden und oft Polizei nötig ist. Aus etlichen Videos wissen Sie, was Herr Winkler für ein Typ ist. Warum haben Sie geglaubt, so ein vernünftiges Gespräch führen zu können?" B., der ohne Anwalt gekommen ist, kann keine schlüssige Antwort geben.

Eine Polizistin, die an der späteren Festnahme B.s beteiligt war, sagt über die Lage in Altschauerberg: "Wir waren fünf bis sechs Mal täglich dort. Manchmal waren Einzelpersonen da, manchmal zehn Leute, manchmal Riesengruppen. Meistens war ein Platzverweis ausreichend. Aber es war schon nervig, dort immer hinzufahren." Inzwischen arbeitet die junge Beamtin nicht mehr bei der für das Dorf zuständigen Polizeiinspektion Neustadt/Aisch.

Winklers Nachbar, der die Rangelei im Dezember beobachtete, sagt, es werde immer schlimmer: "Jeden Tag kommen mehr Gruppen vorbei. Es ist krank, was da vorfällt. Der Scheiß muss endlich aufhören!" Früher, sagt der 31-Jährige, sei er selbst gegen die Internetaktivitäten des Nachbarn gewesen. Inzwischen denke er anders: "Die, die jeden Tag kommen, lösen das Ganze aus. Der Rainer lebt sein Leben. Wem das nicht gefällt, der kann es wegklicken. Aber wenn ich zu ihm hinfahre, bin ich selber schuld."

Richterin Birgitta Bühl verurteilt Manuel B. nach Jugendstrafrecht zu einer Woche Dauerarrest und 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Zudem darf er Altschauerberg ein Jahr lang nicht mehr betreten. Die Richterin sagt zu dem 19-Jährigen: "Wenn Sie Herrn Winkler schaden wollen, dann schauen Sie seine Videos nicht mehr an. Er bezieht sein Geld daraus. Sie können ihn doch einfach ignorieren."